Aquarium - Unterwasserwelt

Muscheln knackende Lippfische

Lippfische sind bekannt für ihre Cleverness. Um an die nahrhaften Teile ihrer Beutetiere zu kommen, setzen gewisse Arten Felsen als Ambosse ein. Mit Hilfe eines Community Science Projekts sind nun weitere Belege für dieses Verhalten dazugekommen (Tariel-Adam 2025)

Bei einigen Tierarten hat man bisher beobachtet, dass sie Werkzeuge zu benutzen, um an Nahrung heranzukommen, z. B. bei Schimpansen, Papageien, Neukaledonischen Krähen oder Tintenfischen. Unter Werkzeuggebrauch versteht man, wenn ein Tier einen externen Gegenstand benutzt, um ein bestimmtes Ziel besser zu erreichen, also z.B. um an Nahrung zu kommen.

Bei Fischen stammen interessanterweise bisher viele Beispiele von Werkzeugeinsatz aus der Familie der Lippfische (Labridae). Die Lippfische sind mit 564 beschriebenen Arten die zweitgrösste Familie unter den Meeresfischen und bei verschiedenen dieser Arten hat man beobachten können, wie sie Felsen als Ambosse einsetzten, um hartschalige Beutetiere wie beispielsweise Muscheln oder Seegurken zu öffnen. Dabei hält der Fisch das Beutetier im Maul und schlägt es auf eine harte Oberfläche, um es zu öffnen. Bislang wurde die Verwendung von Ambossen bei 26 Lippfischarten beschrieben.

Community Science Projekt Fish Tool Use

Um Beispiele von werkzeuggebrauchenden Fischen sammeln zu können, haben die Autor:innen dieser Studie das Community Science Projekt Fish Tool Use gestartet. In diesem Projekt sind weltweit alle aufgerufen, Beobachtungen von Fischen zu melden, die Strukturen als Ambosse nutzen. Damit möchten die Initiant:innen untersuchen, warum zum einen Werkzeuggebrauch in der Tierwelt relativ selten ist und welche Faktoren die Evolution dieses Verhalten begünstigen könnten.

Verhalten weiter verbreitet als bisher angenommen

In der aktuellen Studie beschreiben sie 16 neue Beobachtungen, die sie über das Projekt Fish Tool Use sammeln konnten, und drei Beobachtungen aus der Literatur. Alle Beobachtungen stammen aus der Gruppe der Halichoeres, eine artenreiche Gruppe innerhalb der Lippfische, die im Atlantik sowie im Indischen and Pazifischen Ozean verbreitet sind. Die im Projekt analysierten Beobachtungen stammen alle vom westlichen Atlantik, wo dieses Verhalten bisher noch nie beobachtet und beschrieben wurde. Damit erweitert sich das Wissen sowohl über die geographische als auch taxonomische Verbreitung dieses Verhaltens.
 

Abbildung mit werkzeugnutzenden Gattungen innerhalb der Familie der Labridae
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Werkzeugnutzende Gattungen innerhalb der Familie der Lippfische (Labridae). Die Halichoeres aus der Neuen Welt sind auf Artniveau angegeben. Blau: Gattung, in der mindestens von einer Art bekannt ist, dass sie Werkzeuge benutzt. Angegeben ist die Anzahl der werkzeugbenutzenden Arten im Verhältnis zur Gesamtzahl der Arten der Gattung. Grün: Gattung Halichoeres, in der bei 5 von 82 Arten bekannt sind, dass sie Werkzeuge benutzen. Grün hervorgehoben: Die 5 in dieser Studie beschriebenen Halichoeres-Arten (© Tariel-Adam et al. 2025).

Karte mit weltweiter Verbreitung der Lippfischarten mit Werkzeuggebrauch
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Weltweite Verbreitung von Lippfischarten (Labridae), bei denen die Nutzung von harten Strukturen als Ambosse beobachtet wurde. Beobachtungen aus der vorhandenen Literatur sind gelb und neue Beobachtungen aus dem Community Science Projekt sind rot gekennzeichnet. Das Verbreitungsgebiet der Halichoeres-Arten der Neuen Welt ist lila markiert. Die Neuwelt-Halichoeres-Arten sind H. bivittatus, H. brasiliensis, H. garnoti, H. poeyi und H. radiatus; H. maculipinna gehört nicht zu den Neuwelt-Halichoeres-Arten (© Tariel-Adam et al. 2025)

Weder Links- noch Rechtshänder

Aufgrund der Videos, die sie mit den Beobachtungen erhalten hatten, konnten sie verschiedene Verhaltensanalysen durchführen. Diese ergaben, dass Lippfische in der Wahl der Art der Ambosse relativ flexibel waren und zuweilen mehrere Ambosse bzw. Schlagstellen auf dem Amboss pro Beutetier nutzten. Zudem gab es bei diesem Verhalten weder generell «Links- noch Rechtshänder»: Versuchen die Lippfische die Beute zu öffnen, halten sie die Beute im Maul und krümmen ihren Körper entweder nach links oder rechts vom Amboss weg, holen also sozusagen Anlauf, um dann zurückzuschnellen und die Beute auf den Amboss zu schmettern. Diese sogenannte Lateralität, also die Bevorzugung einer Seite für eine Aktivität, kommt im Tierreich und auch bei Fischen häufig vor.

Weitere Beispiele von cleveren Lippfischen

Zu den Lippfischen gehört auch der Gemeine Putzerlippfischen (Labroides dimidiatus). Mit dieser Art haben Forscher:innen den Spiegeltest durchgeführt. Diesen Test setzt man ein, um herauszufinden, ob Tiere ihr Spiegelbild als sie selbst erkennen und somit eine Art Selbstbewusstsein haben. 

Mehr zur Forschung mit dieser spannenden Art:
Spieglein, Spieglein - Haben Fische ein Selbstbewusstsein?
Spieglein, Spieglein – Und sie erkennen sich doch
Das bin ich!  

Playliste mit Beispielen von werkzeuggebrauchenden Lippfischen. Die Beobachtungen stammen aus dem Projekt Fish Tool Use.

Literatur

Tariel-Adam, J., Toledo, J. G., O’Brien, C. E., Floeter, S. R., & Brown, C. (2025). Tool use by New World Halichoeres wrasses. Coral Reefs. (abstract)