Mittlerweile sind sowohl die Gesellschaft als auch ein Grossteil der Forschenden der Meinung, dass Tiere fühlende Wesen sind und Gefühle haben, sie also Angst, Schmerz oder Zufriedenheit und Vergnügen empfinden. In unserem Umgang mit den Tieren ist es also zentral, dass wir ihnen Bedingungen bieten, unter den sie sich wohlfühlen und unter denen sie nicht leiden.
Was ist Wohlbefinden?
Wohlbefinden ist ein Zustand im Tier selbst. Es ist ein Zustand der körperlichen und psychischen Integrität (Unversehrtheit) eines Tiers. Das Wohlbefinden betrifft also das gesamte Lebewesen mitsamt seiner Fähigkeit, sich in seiner Umgebung selber zu erhalten.
Wie kann Tierwohl erreicht werden?
Tierwohl kann erreicht werden, wenn das Tier die Möglichkeit hat, sein Verhalten in Form und Funktion normal auszuüben, seine Autonomie zu bewahren und Kontrolle über seine Umgebung auszuüben. Es muss Situationen oder Zustände meiden können, die unangenehm sind (negativ affektive Zustände, z.B. Schmerz, Furcht, Hunger Durst, Langeweile), und solche aufsuchen können, die ihm angenehm sind (positiv affektive Zustände) und es ihm erlauben, seine körperlichen und psychischen Bedürfnisse zu befriedigen. Dies kann am besten in einer Umgebung erreicht werden, in der das Tier sein natürliches Verhalten und seine kognitiven Fähigkeiten ausleben, angenehme Erfahrungen machen, mit seiner Umwelt und seinen eventuellen Sozialpartnern interagieren und seine Ziele erreichen kann.
Welche Haltungsbedingungen dem Wohlbefinden des Tiers förderlich sind, wird von der Biologie der Tierart bestimmt. Das Wohlbefinden wird verbessert, wenn durch die Haltung keine Belastungen (Stress, Schmerz, Angst) und keine Verhaltensstörungen auftreten. Gefühle sind subjektive Zustände. Deshalb müssen wir bei Tieren indirekte Methoden anwenden, um etwas über diese Zustände herausfinden und aussagen zu können.
Im Schweizer Tierschutzgesetz wird der Begriff Wohlergehen verwendet, siehe Rechtliches.
Fische sind leidensfähige Wesen.
Fische sind leidensfähige Wesen
Die aktuellen Forschungsergebnisse zeigen klar, dass Fische Tiere mit komplexem Verhalten sind, die ihre Umwelt wahrnehmen, sie gestalten und aus Erfahrung lernen können. Sie haben artspezifische Bedürfnisse, leiden unter Stress und empfinden Schmerzen. Diese Erkenntnisse sind bedeutsam für den Umgang mit den von uns genutzten Fischen, denn wir sind für ihr Wohlbefinden verantwortlich.
Angepasst an den Lebensraum Wasser
Fische gehören zur Klasse der Wirbeltiere. Sie weisen also eine gewisse Nähe zu Säugetieren und Vögeln auf. Es gilt aber zu beachten, dass die Tiergruppe Fische schon viel länger existiert als Säuger und Vögel und eine eigene, sehr lange Entwicklung durchgemacht haben. In den hunderten von Millionen Jahren haben sich sehr unterschiedliche Anpassungen und Lebensweisen entwickelt. Dies ist wichtig, um zu verstehen, welche Bedürfnisse Fische haben.
Ein sehr offensichtlicher Unterschied zu anderen Wirbeltieren ist, dass Fische im Wasser leben und an diesen Lebensraum angepasst sind. Hier herrschen spezielle chemische und physikalische Bedingungen. Über ihre Kiemen und ihre Haut stehen die Fische in sehr engem Kontakt mit ihrer Umwelt und reagieren daher sehr empfindlich auf schlechte Wasserqualität. Ihre Körpertemperatur hängt von der Umgebungstemperatur ab, sie haben also keine konstante Körpertemperatur. Sie brauchen dadurch weniger Energie und reagieren weniger empfindlich auf Nahrungsknappheit.
Stress verursacht Leiden
Da alle Wirbeltiere einen gemeinsamen Ahnen haben, weisen sie trotz Unterschieden auch Ähnlichkeiten auf. So sind die biologischen Vorgänge vergleichbar, die einen Einfluss auf das Wohlbefinden von Tieren haben. Es gibt Ähnlichkeiten in der Physiologie, was wichtig ist im Zusammenhang mit der Entstehung von Stress. Zwar ist das Fischhirn einfacher aufgebaut als das Säugerhirn, dennoch ist es sehr leistungsfähig, was wichtig ist für das Schmerzempfinden und Verarbeiten von Informationen aus der Umwelt. Zwar können Fische Furcht und Unwohlsein nicht über die Stimme oder die Mimik anzeigen. Dennoch kann man beispielsweise über das Messen von Stresshormonen und das Verhalten Rückschlüsse darauf ziehen, ob Fische gestresst oder ängstlich sind oder Schmerzen empfinden.
Es braucht mehr Fisch-Forschung
Bei den Fischen sind viele Aspekte bezüglich Wohlbefinden noch nicht so gut untersucht wie bei anderen Wirbeltieren. Auch bezüglich Krankheiten weiss man noch wenig. Aber die neuen Erkenntnisse aus der Forschung zeigen, dass Fische leiden können. Komplizierter wird die Sache, weil die Gruppe der Fische im Vergleich zu anderen Wirbeltiergruppen (Amphibien, Reptilien, Vögel, Säuger) am meisten Arten aufweist, die alle ihre Eigenarten haben. Daher muss man Untersuchungsmethoden entwickeln und anwenden, die zum einen auf das Wesen Fisch, zum andern aber auch auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Arten ausgerichtet sind.