In dieser Studie mit Goldfischen (Carassius auratus) wurden zwei Ansätze, die zur Erforschung der Bedürfnisse von Tieren angewendet werden, kombiniert: Der Präferenz- und der Motivationstest. Ersterer soll Informationen dazu liefern, welche Ressourcen die Tiere bevorzugen, während der zweite Ansatz Informationen dazu liefert, wie stark die Tiere eine Ressource wollen.
Was wählen Goldfische und zu welchem Preis?
Goldfische ernähren sich von kleinen wirbellosen Tieren, die sie im Substrat aufstöbern. Daher kann man davon ausgehen, dass Pflanzen in einem Aquarium für die Goldfische in erster Linie Strukturelemente und weniger Nahrung sind. Oft werden künstliche Einrichtungselemente in Aquarien verwendet, da sie einfacher zu putzen und zu unterhalten sind. Es stellt sich aber die Frage, wie künstliche Strukturen beschaffen sein müssen, damit sie tatsächlich dieselbe Funktion wie natürliche Strukturen erfüllen können. In einigen wenigen Studien wurden künstliche Pflanzen erfolgreich getestet, andere Strukturen kamen hingegen weniger gut an (siehe die Zusammenfassung "Glasstäbe als Pflanzenimitate zeigen keine Wirkung").
Im Experiment hatten die Goldfische die Wahl zwischen Bereichen, die mit echten und künstlichen Pflanzen eingerichtet waren, und leeren Bereichen. Die Autoren erwarteten, dass die Goldfische zwar die bepflanzten den unbepflanzten Bereichen vorziehen, aber keinen Unterschied machen zwischen echten und künstlichen Pflanzen und daher den gleichen Aufwand betreiben, um an diese beiden Ressourcen zu kommen.
Für den Präferenztest wurde das Testaquarium in drei Bereiche unterteilt. Je zwei davon waren entweder mit echten oder mit künstlichen Pflanzen bestückt. Als Pflanzenarten wurden Bacopa sp. und Ambulia sp. verwendet, da sie sowohl als echte als auch als künstliche Pflanzen erhältlich waren. Der dritte und mittlere Bereich diente als Kontrolle und war unbepflanzt. Die Fische konnten frei zwischen den Bereichen wählen.
Für den Motivationstest wurde das Aquarium mit einem Gitternetz in zwei Teile unterteilt. Um von einem Teil in den anderen zu gelangen, mussten die Fische nun durch einen Tunnel schwimmen. Als Mass für die Motivation der Goldfische fungierte die Wasserströmung. Zum einen sind Goldfische eher langsame Schwimmer, zum anderen steigt bei ihnen der Sauerstoffverbrauch mit zunehmender Strömung linear an. Die Strömung wurde im Tunnel mittels einer Pumpe erzeugt und konnte schrittweise erhöht werden.
Pflanzen ja, aber echt müssen sie nicht sein
Die Goldfische bevorzugten klar die mit Pflanzen angereicherten Bereiche des Aquariums. Hingegen spielte es für sie tatsächlich keine Rolle, ob diese Pflanzen echt oder künstlich waren. Da die Goldfische jeweils einzeln und zudem in einem relativ grossen Aquarium (150 cm Länge) getestet wurden, vermuten die Autoren, dass die Pflanzen am ehesten eine Schutzfunktion, zB. vor Räubern, erfüllten. Für gruppenlebende Tiere ist eine Einzelhaltung natürlich bedrohlich. Wenn also die richtigen Kunstpflanzen ausgewählt werden, können sie durchaus als Ersatz für richtige Pflanzen dienen. Vorteile und Nachteile müssen jedoch je gegeneinander abgewogen werden.
Schwimmen gegen den Strom - ein gutes Mass für Motivation
Mussten die Goldfische im Motivationstest für den Zugang zu den Abteilen arbeiten bzw. gegen die Strömung schwimmen, unterschieden sie nicht mehr zwischen bepflanzten und leeren Abteilen.
Nun könnte es natürlich sein, dass die Goldfische einfach gerne in der Strömung schwimmen und gar kein Bedürfnis nach zusätzlichem Raum haben. In einem weiteren Experiment, in dem gleichzeitig ein Tunnel mit und ein Tunnel ohne Strömung zwischen den beiden Abteilen zur Verfügung stand, zeigte sich jedoch, dass die Goldfische den strömungslosen Tunnel bevorzugten, um ins jeweils andere Abteil zu wechseln.
Fast alle der beobachteten Goldfische wechselten häufig zwischen den Abteilen hin und her, was darauf hindeutet, dass die Goldfische ein Bedürfnis nach Schwimmen bzw. zusätzlichem Raum haben. Schwimmen hat viele positive Auswirkungen auf die Fitness und auch auf die Stressbewältigung der Fische. Offen bleibt, ob die Goldfische bei einer etwas stärkeren Strömung doch zwischen den Abteilen unterschieden, d.h. für den Zugang unterschiedlich hohen Aufwand betrieben hätten.
Die Autorinnen schliessen aus ihren Resultaten, dass die Kombination von Wahlversuchen und Motivationstests sehr vielversprechend ist und sich der Einsatz von Strömung gut eignet, um die Motivation von Goldfischen und generell bei Fischen zu messen. Strömung ist bei vielen Fischarten biologisch relevant und kann im Experiment relativ einfach erzeugt werden. Zudem braucht man die Fische nicht speziell zu trainieren. Wichtig ist, die geeignete Strömungsstärke der Art entsprechend zu ermitteln.