Aus verschiedenen Studien ist bekannt, dass Weibchen bevorzugt Männchen als Fortpflanzungspartner wählen, die in guter Verfassung sind. Stress kann jedoch den körperlichen Zustand und das Wohlbefinden der Männchen negativ beeinflussen und damit den Erfolg bei den Weibchen schmälern.
Nicht artgerechte Haltung verursacht Stress
In der Laborforschung werden Zebrafische (Danio rerio) üblicherweise in strukturlosen, kleinen Aquarien ohne Substrat und Pflanzen aufgezogen bzw. gehalten. Doch diese Haltung wird den Bedürfnissen der Zebrafische in keiner Weise gerecht. Denn natürlicherweise lebt diese Art in flachen Gewässern unterschiedlicher Strömung mit überhängender Vegetation am Ufer und Pflanzenbewuchs im Wasser. Viele Studien belegen, dass eine nicht artgerechte Haltung Stress verursacht, auch bei Zebrafischen (Carfagini et al., 2009). Umgekehrt kann eine Anreicherung der Aquarien Stress reduzieren (Marcon et al., 2018).
Die Autor:innen dieser Studie untersuchten daher in einem Wahlversuch, ob männliche Zebrafische aus gut ausgestatteten Aquarien für die Weibchen attraktiver sind, da sie weniger gestresst und damit in besserer Verfassung sind. Weibchen wählen Paarungspartner oft nach Merkmalen oder Verhalten aus, die durch Stress negativ beeinflusst werden können.
Vor dem eigentlichen Versuch lebte eine Hälfte der Zebrafische während eines Jahres in mit Kies und Pflanzen eingerichteten Aquarien, die andere Hälfte in Aquarien ohne Strukturen.
Für den Wahlversuch kam ein Testaquarium zum Einsatz, das je ein abgetrenntes Abteil rechts und links aufwies. In diese Abteile wurde je ein Männchenpaar aus guter bzw. schlechter Haltung gesetzt. Mit Technik war dafür gesorgt, dass keine Pheromone aus den Männchenabteilen diffundierten.
Zwischen den Männchenabteilen befand sich das Abteil für die Weibchen. Von hier aus konnten die Weibchen freiwillig wählen, welchem Männchenpaar sie sich bevorzugt nähern wollten. Anschliessend erhielten die Weibchen für die Laichphase freien Zugang zum einem der Männchenpaare. In beiden Phasen wurden die typischen Verhaltensweisen der Zebrafische protokolliert und in der zweiten Phase die abgelegten Eier eingesammelt und gezählt.
Männchen aus schlechter Haltung sind unattraktiv
Tatsächlich wählten die Weibchen bevorzugt die Männchen aus den gut ausgestatteten Aquarien und verbrachten mehr Zeit mit diesen. Verglichen mit den Männchen aus den strukturlosen Aquarien, zeigten diese Männchen auch zehn Mal häufiger typisches Werbeverhalten und zwei Mal häufiger das typische Zitterverhalten, das das Weibchen zur Eiablage stimulieren soll. Die Weibchen liessen also von diesen Männchen mehr Werbeverhalten zu und wichen ihnen tendenziell auch weniger aus.
Interessanterweise waren die Männchen aus den gut ausgestatten Aquarien kleiner als die Männchen der anderen Gruppe. Der Grund dafür ist unklar. Dennoch waren sie für die Weibchen attraktiver, obwohl bekannt ist, dass Zebrafischweibchen grössere Männchen bevorzugen. Vermutlich spielen zusätzlich andere Merkmale bei der Wahl eine Rolle, die allerdings noch nicht bekannt sind. Schlechte Haltungsbedingungen scheinen sich demzufolge auch auf andere Merkmale oder das Verhalten negativ auszuwirken.
Entgegen den Erwartungen der Autor:innen laichten die Weibchen mit den bevorzugten Männchen weder früher, noch häufiger, noch mehr Eier ab. Sie erklären sich dies unter anderem damit, dass diese Verhaltensweisen sehr schwierig zu beobachten waren und daher nicht exakt genug protokolliert werden konnten.
Glückliche Tiere haben die besseren Karten
Diese Resultate bestätigen frühere Studienergebnisse bei verschiedenen Tierarten, die ebenfalls zeigten, dass Männchen aus einer schlechten Haltung weniger erfolgreich sind. Zudem ist bekannt, dass zum einen Tiere den emotionalen Zustand ihrer Artgenossen einschätzen und darauf reagieren können und zum anderen, dass ungeeignete Haltungen negative emotionale Zustände verursachen, auch bei Fischen (siehe z.B. Gute Stimmung, schlechte Stimmung bei Buntbarschen, Aggressive Artgenossen schlagen aufs Gemüt). Es kann also durchaus sein, dass Individuen attraktiver sind, weil es ihnen physisch und psychisch besser geht als ihren gestressten Artgenossen.