Eine gute Partnerschaft kann glücklich machen. Hingegen können wiederholt negative Erfahrungen mit einem Partner auf die Stimmung schlagen, was wiederum den Fortpflanzungserfolg mindern kann. Auch Fische sind also gut beraten, einen passenden Partner auszuwählen, der nicht nur hinsichtlich seiner Genetik, sondern eben auch in Bezug auf sein Verhalten und insbesondere seine Fürsorglichkeit etwas zu bieten hat und somit für gute Laune und Zufriedenheit sorgt.
Im Gegensatz zum Menschen können uns Tiere keine verbalen Auskünfte über ihr Stimmung geben. Aber wir können Tests ihr Verhalten beobachten und ihre kognitiven Fähigkeiten nutzen, um Erkenntnisse zu gewinnen. Einen vielversprechenden Ansatz bieten Tests zur kognitiven Voreingenommenheit (cognitive judgement bias test), mit dem sich die emotionale Grundstimmung bei Tieren untersuchen lässt.
Emotionale Zustände werden durch sehr viele verschiedene Faktoren beeinflusst. Je nachdem, ob man Hunger hat, sich an einem reich gedeckten Tisch laben kann, sich in freundlicher Gesellschaft befindet oder umzingelt ist von Feinden, fühlt man sich zufrieden oder entspannt oder im Gegenteil unbefriedigt, deprimiert oder ängstlich.
Glas halb voll oder halb leer?
Diese Zustände wirken sich auch darauf aus, wie man sich in bestimmten Situationen entscheidet. So weiss man, dass deprimierte Menschen ein zur Hälfte gefülltes Glas eher als halb leer sehen, Menschen hingegen, die sich in einer zuversichtlichen Stimmung befinden, neigen mehrheitlich dazu, das Glas als halb voll zu sehen (Paul et al. 2005). Bisher hat man diese sogenannte negative bzw. positive kognitive Voreingenommenheit (negative or positive cognitive bias) bei verschiedenen Wirbeltieren, Vögeln und sogar bei Bienen in Tests nachgewiesen und so etwas über ihren emotionalen Zustand erfahren (Raoult et al. 2018).
In einem solchen Test zur kognitiven Voreingenommenheit (cognitive judgement bias test) trainiert man die Tiere darauf, ein Signal (Reiz) mit einer angenehmen Situation und ein anderes Signal mit einer unangenehmen Situation zu verbinden. Solche Signale können z.b. Töne oder Farben sein. Anschliessend präsentiert man den Tieren ein zweideutiges Signal. Reagieren nun die Tiere darauf eher wie in der unangenehmen Situation, kann man schliessen, dass die Tiere in einer eher negativen bzw. pessimistischen Stimmung sind, das Glas also halb leer sehen, und umgekehrt.
Studiensubjekte und Experimente
Diesen Test haben die Autorinnen dieser Studie nun zum ersten Mal bei Fischen durchgeführt. Dazu verpaarten sie Weibchen der Art Amatitlania siquia, einer Buntbarschart aus Mittelamerika, wahlweise mit ihren bevorzugten Männchen bzw. mit den nicht bevorzugten Männchen und erhofften sich damit, Hinweise auf den emotionalen Zustand des Weibchens zu erhalten.
Aufwendige Jungenaufzucht
Amatitlania siquia lebt monogam und gehört zur selben Gattung wie der aus der Aquaristik besser bekannte Zebrabuntbarsch (Amatitlania nigrofasciata). Die Elterntiere investieren viel in ihren Nachwuchs und schützen ihn während mehrerer Wochen vor den vielen Fressfeinden bis er unabhängig ist. Das bedingt, dass die Paare gut miteinander funktionieren und die Partner verlässlich sind.
Das Weibchen der Buntbarschart Amatitlania siquia laicht in Höhlen ab. Beide Elterntiere betreiben Brutpflege und schützen ihren Nachwuchs während mehrerer Wochen gemeinsam vor Konkurrenten und Fressfeinden.
In einem ersten Experiment führten sie einen Wahlversuch durch, um herauszufinden, welche der Männchen jeweils das bevorzugte war. Danach vergleichen sie den Fortpflanzungserfolg der Weibchen, die sich mit ihrem bevorzugten Männchen verpaaren konnten, mit demjenigen der Weibchen, die sich mit dem nicht bevorzugten Männchen verpaaren mussten.
Welcher passt zu mir?
Es zeigte sich, dass die Weibchen einen besseren Fortpflanzungserfolg hatten, wenn sie sich mit ihrem bevorzugten Männchen verpaaren konnten. Sie laichten früher ab, betrieben mehr Brutpflege und stritten sich deutlich weniger mit dem Männchen und schliesslich schlüpften bei diesen Paaren auch mehr Larven aus den Eiern.
Training mit Futterbox
Für das zweite Experiment, dem cognitive judgement bias test, trainierten die Forscherinnen die Fische, den Deckel kleiner Boxen mit Futter drin zu öffnen. Die Idee dahinter: Befindet sich in der Box Futter, stellt dies eine positive Situation dar. Hat es hingegen kein Futter in der Box drin, ist das etwas frustrierend für den Fisch. Die «positiven» und «negativen» Boxen unterschieden sich in der Farbe (schwarzer oder weisser Deckel) und in der Position (links oder rechts) im Aquarium.
Je schneller, desto zuversichtlicher
Als zweideutiges Signal diente eine Box mit grauem Deckel, die jeweils an einer Position zwischen der «positiven» und «negativen» Box ins Aquarium gestellt wurde. Gemessen wurde nun, wie lange es dauerte, bis das Weibchen die Box öffnete. Je schneller das Weibchen die Box öffnete, desto positiver wurde sein emotionaler Zustand eingeschätzt, das heisst, das Weibchen schien zuversichtlicher zu sein, dass sich in der Box ein Futterstück befindet. Dieses Vorgehen wird in dieser Filmsequenz zur Studie veranschaulicht.
Der Test zur kognitiven Voreingenommenheit wurde nun in der Anwesenheit eines bevorzugten bzw. nicht bevorzugten Männchens durchgeführt. Tatsächlich brauchten die Weibchen länger, bis sie die Box mit dem grauen Deckel öffneten, wenn sie mit dem abgelehnten Männchen verpaart wurden.
Für die Autoren ist dies ein deutlicher Hinweis, dass sich diese Weibchen in einem negativen emotionalen Zustand befanden, also weniger zuversichtlich waren, ein Stück Futter zu finden. Die Autoren fügen denn auch an, dass eine positive Stimmung die Partnerschaft stabilisieren kann, was bei monogam lebenden Tieren für den Fortpflanzungserfolg von Vorteil ist.
Im Wahlversuch wurde untersucht, mit welchen Männchen sich die Weibchen besser vertrugen und mehr Eier und somit Nachwuchs produzierten.
Im Test zur kognitiven Voreingenommenheit mussten die Weibchen lernen, Futter aus einer Box zu holen, die mit einem Deckel versehen war. Die Farbe des Deckels diente dabei als Signal für ein positives oder negatives Erlebnis.
Das Video zeigt, wie die Buntbarsche gelernt haben, die Futterbox zu öffnen. Die «positiven» Boxen mit Futter und «negativen» Boxen ohne Futter unterschieden sich in der Farbe (schwarzer oder weisser Deckel). Eine Futterbox mit grauem Deckel diente als zweideutiges Signal.
Schematische Darstellung der Versuchsanordnung: Oben: Testphase in der Anwesenheit eines bevorzugten bzw. nicht bevorzugten Männchens; Unten: Weibchen zeigt mit seinem Verhalten, ob es zuversichtlich ist oder nicht., ein Futterstück zu finden.
Fazit: Nachweis von Emotionen bei Fischen möglich
Zum ersten Mal haben Forscherinnen zeigen können, dass sich mit dem Ansatz der kognitiven Voreingenommenheit auch der emotionale Zustand von Fischen untersuchen lässt. Denn die Weibchen der Buntbarschart Amatitlania siquia verhalten sich in Bezug auf ein zweideutiges Signal optimistischer, wenn sie in Gegenwart ihres bevorzugten männlichen Partners sind als wenn sie mit einem für sie unattraktiven Partner zusammen sein müssen. Die richtige soziale Umgebung hat die Weibchen also in eine positivere Grundstimmung versetzt.
Der Vorteil solcher Studien ist, dass sie nicht invasiv sind, es müssen weder physiologische Untersuchungen gemacht noch müssen Hirnströme gemessen werden, sie stützen sich rein auf Verhaltensbeobachtungen in einer ausgeklügelten Versuchsplanung ab. Der Ansatz des cognitive judgement bias bzw. der kognitiven Voreingenommenheit ist sehr vielversprechend. Dass er auch bei Fischen erfolgreich angewendet werden kann, zeigt zum einen, dass die Fische hohe kognitive Fähigkeiten haben, und zum anderen, dass auch Fische emotionale Bindungen zu Artgenossen aufbauen können.