Aquarium - Unterwasserwelt

Gemeinsame Wahrnehmung bei elektrischen Fischen

Zum ersten Mal konnte man nachweisen, dass schwach elektrische Elefantenrüsselfische (Gnathonemus petersii) bei der Ortung zusammenarbeiten. Sie teilen gegenseitig blitzschnell elektrische Bilder von Objekten und erweitern so ihren individuellen Wahrnehmungsbereich (Pedraja 2024).
 

Bekannt ist, dass elektrische Fische spezialisierte Organe oder Elektrorezeptoren nutzen, um elektrische Felder wahrzunehmen, aber auch auszusenden. Diese helfen ihnen bei der Kommunikation und der Elektroortung, einer elektrischen Form der Echoortung wie man sie von Fledermäusen kennt. Dadurch können sie sich in dunklen, trüben Flüssen zurechtzufinden und sowohl belebte Nahrung, als auch unbelebte Objekte in Form und Grösse erkennen.

Der Elefantenrüsselfisch (Gnathonemus petersii) ist ein schwach elektrischer Fisch. Er lebt in trüben Flüssen in Westafrika und ist nachtaktiv. Seinen Namen hat er von seinem langen rüsselartigen Fortsatz am Kinn. Mit Hilfe dieses Rüssels, der mit Elektrorezeptoren versehen ist, kann er Würmer und Insekten im Boden aufspüren, ohne dabei den Boden zu berühren.

Elefantenrüsselfische senden kontinuierlich elektrische Impulse aus, sie sind sogenannte Pulsentlader. Mit spezialisierten Elektrorezeptoren, den sogenannten tuberösen Organen, nehmen sie sowohl die eigenen elektrischen Organentladungen (EOD = electric organ discharge) als auch diejenigen von Artgenossen oder anderen schwach elektrischen Fischen wahr.

Elektrische Bilder von Objekten werden sofort mitgeteilt

Bisher wurde bei pulsierenden elektrischen Fischen angenommen, dass die EODs von Artgenossen eine wichtige Rolle in der sozialen Kommunikation spielen, dass diese hingegen nur geringe oder keine Auswirkungen auf die Elektroortung haben.

Die Autoren dieser Studie haben nun diese Annahme überprüft und kommen zum Schluss, dass die elektrischen Felder der Artgenossen tatsächlich zusätzliche Informationen über Objekte in der Umgebung liefern und die Elektroortung verbessern. Mit anderen Worten: Die Elefantenrüsselfische sehen die Objekte nicht nur mit ihren eigenen «elektrischen Augen», sondern auch mit denjenigen ihrer Artgenossen, die sich in der Nähe befinden. Die Autoren vermuten, dass jedes Individuum ein elektrisches Bild des Objekts erzeugt und dieses mit Lichtgeschwindigkeit bzw. in Echtzeit dem Artgenossen sendet.

Besseres Sehen in der Gruppe

Durch dieses «gemeinsame Erkennen» können die Elefantenrüsselfische ihren Elektroortungsbereich entscheidend erweitern, was ihnen hilft, Nahrung besser finden und Artgenossen und Feinde besser zu erkennen. Was ihnen schliesslich einen Überlebensvorteil verschaffen kann.

In Fisch- oder auch Vogelschwärmen werden Informationen via Verhalten, das als Reaktion auf äussere Reize erfolgt, weitergegeben, z.B. wenn ein Feind entdeckt wird. Anders beim elektrischen Fisch: Er erzeugt die elektrischen Felder kontinuierlich, so dass alle Artgenossen in der Gruppe sofort und simultan die Informationen erhalten. Der Vorteil ist, dasser dabei nicht mehr Energie verbraucht oder sich einem erhöhten Risiko aussetzen muss, von Fressfeinden entdeckt zu werden. 

Kommentar Fischwissen

Für die Studie wurde ein Computermodell entwickelt, das die elektrische Umgebung des Elefantenrüsselfischs simulierte und das auf Videoanalysen lebender Tiere basierte. Damit konnten sie abschätzen, ob der Fokusfisch seinen Wahrnehmungsbereich erweitern sowie Objekte mithilfe der elektrischen Felder seiner Artgenossen besser erkennen konnte. Weiter führten sie verschiedene Verhaltenstests Fokusfischen durch, wobei die Artgenossen jeweils mit Elektroden simuliert wurden. Leider wurden zudem invasive Methoden für die elektrophysioloschen Untersuchungen verwendet, die aus Tierschutzsicht als problematisch eingestuft werden müssen.

Ein Elefantenrüsselfisch

Der Elefantenrüsselfisch (Gnathonemus petersii) kann durch die elektrischen Felder seiner Artgenossen Objekte besser wahrnehmen.

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Literatur

Pedraja, F., & Sawtell, N. B. (2024). Collective sensing in electric fish. Nature, 628 , 139–144 . (abstract)