Aquarium - Unterwasserwelt

Für Meerbrassen ist Mensch nicht gleich Mensch

In dieser Studie ist es gelungen nachzuweisen, dass Meerbrassen zwischen Menschen unterscheiden und sich dabei an der Farbe der Tauchausrüstung orientieren. Dass der Lerntest mit wildlebenden Fischen durchgeführt wurde, macht ihn besonders wertvoll (Tomasek 2025). 

Aus Laborstudien weiss man, dass für Fische Mensch nicht einfach Mensch ist. Schützenfische beispielsweise unterscheiden zwischen bekannten und unbekannten menschlichen Gesichtern, die ihnen auf Bildschirmen präsentiert werden. Und Zebrafische verknüpfen Laborroutinen wie Füttern oder Fangstress mit den Personen, die diese Tätigkeiten ausführen.

Nun ist Forscher:innen zum ersten Mal bei wildlebende Fischen der Nachweis gelungen, dass Fische zwischen Menschen unterscheiden können. Dazu haben sie ein Experiment mit zwei zur Familie der Meerbrassen (Sparidae) gehörenden Arten durchgeführt, der Bandbrasse (Oblada melanura) und der Streifenbrasse (Spondyliosoma cantharus). Dabei mussten die Fische lernen, nur der Person zu folgen, die ihnen Futter gab. Das gelang den Fischen ohne Probleme, allerdings nur solange, als die Taucher:innen unterschiedliche Tauchausrüstungen trugen. Vermutlich waren die Farben dafür verantwortlich, dass die Meerbrassen die futtergebende Person erkennen konnten.

Streifenbrasse (Spondyliosoma cantharus)

Die hier abgebildete Streifenbrasse (Spondyliosoma cantharus) lebt wie die Bandbrassen (Oblada melanura) im Mittelmeer.

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Experiment im Mittelmeer

Die beiden Meerbrassenarten leben unter anderem im Mittelmeer und werden beide befischt. Die Studie wurde bei der Station de Recherches Sous-marines et Océanographiques (StaReSO) in Korsika durchgeführt, ein beliebter Ort bei Taucher:innen. Die Wissenschafter:innen hatten zuvor bemerkt, dass eine ihrer Taucherinnen bei ihren Tauchgängen immer von vielen Fischen begleitetet wurde, andere hingegen nicht. Diese Beobachtung warf die Frage auf, warum die Fische gerade dieser Taucherin folgten. Sie vermuteten, dass es mit dem Futter zusammenhing, mit dem diese Taucherin zuvor andere Fische gefüttert hatte.

Training mit Futterbelohnung

Die Studie umfasste eine Trainingsphase und das eigentliche Experiment. Mit dem Training wollten sie als erstes herausfinden, ob Fische lernen, einer Taucherin zu folgen, um eine Futterbelohnung zu erhalten.

Tatsächlich liessen sich die Fische auf das Training ein. Nach zwölf Tagen folgten die Fische der Taucherin K.S., wenn diese 50 Meter weit wegschwamm, um sie dann zu füttern. Zudem konnte K.S. am Ende des Trainings folgende Fische individuell an Körpermerkmalen unterscheiden, die ihr gefolgt waren: die Bandbrasse Bernie sowie die Streifenbrassen Left Hump, Kasi, Alfi, Julius und Geraldine (siehe Youtube-Video). 

Während der Trainingsphase fütterte K.S. die Fische mit kleinen Garnelenstücken, zuerst beim Startpunkt, dann schwamm sie davon und fütterte nach 50 Metern die Fische, die ihr folgten. Die Fische waren K.S. zuvor nie gefolgt. Zu Beginn des Trainings präsentierte sie den Fischen verschiedene visuelle, olfaktorische und verhaltensspezifische Signale (niederknien in bestimmter Position, Warnweste über dem Neoprenanzug, schwarze Netztasche, undichte Reissverschlusstasche mit Futter). Im Verlaufe des Trainings reduzierte sie diese Signale bis auf die Tauchausrüstung und verteilte kein Futter mehr. 

Experiment mit zwei Taucher:innen

Das eigentliche Experiment bestand aus zwei Phasen. In Phase 1 wollten sie untersuchen, ob die Meerbrassen zwischen zwei Taucher:innen unterscheiden können. Phase 2 diente dazu herauszufinden, woran die Meerbrassen die Taucherinnen erkannten.

In Phase 1 trugen die beiden Taucher:innen (K.S. und M.T.), die eine ähnliche Statur hatten, unterschiedliche Tauchausrüstungen (unterschiedliche Flossen, Masken, Tarierwesten und Neoprenanzüge) (siehe Abbildung A). Beide trugen Futter in der Tasche bei sich und schwammen jeweils von einem Startpunkt je in eine andere Richtung davon, wobei die Fische nur von K.S., nicht aber von M.T. belohnt wurden, wenn sie ihnen folgten.

Bereits am zweiten Tag hatten die Meerbrassen gelernt, der richtigen Person zu folgen, wobei die Streifenbrassen das Spiel schneller durchschauten als die Bandbrassen. Generell waren mehr Streifenbrassen als Brandbrassen gewillt, von sich aus am Experiment teilzunehmen. 
 

Zwei Taucher in Tauchausrüstung

Die Taucher:innen (K.S. und M.T) tragen während des Experiments in Phase 1 unterschiedliche (A) und in Phase 2 dieselbe Tauchaustrüstung (B). 

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Meerbrassen lernen schnell

Allerdings können die Autor:innen nicht ganz ausschliessen, dass gewisse und insbesondere neu hinzugekommene Individuen einfach ihren Artgenossen folgten, denn beide Arten sind gruppenlebend, sodass soziale Attraktion eine Rolle gespielt haben könnte. Allerdings folgten nie alle Fische miteinander derselben Taucher:in, was man jedoch erwarten würde, wenn ausschliesslich dieses Verhalten für ihre Entscheidung verantwortlich wäre. Zuweilen folgte auch nur ein einzelnes Individuum der Taucher:in oder die Fische entschieden sich unabhängig von den anderen für eine Richtung. Daher kommen die Autor:inenn zum Schluss, dass sie tatsächlich bei einigen Individuen nachweislich ein Lernen beobachtet hatten.

Dass es Unterschiede im Lernverhalten gab, wurde bei den sechs individuell unterscheidbaren Individuen deutlich. Die Bandbrasse Bernie und die drei Streifenbrassen Alfi, Julius und Left Hump lernten sehr schnell, der richtigen Taucherin zu folgen, während die zwei Streifenbrassen Geraldine und Kasi nur tendenziell richtig lagen. 

Farben als Erkennungsmerkmal

In Phase 2 trugen die beiden eine identische Tauchausrüstung (siehe Abbildung B). Unter diesen Bedingungen konnten die Meerbrassen die beiden nicht mehr unterscheiden. Dies deutet darauf hin, dass die Meerbrassen die Taucher:innen an der Tauchausrüstung erkannten und sich an visuellen Signalen orientierten. Da Meerbrassen wie viele Fische ein gutes Farbsehen haben, vermuten die Autor:innen, dass sie sich an den Farben orientiert hatten, um die Taucher:innen zu erkennen.

Wertvolle Studie mit wilden Fischen

Diese Studie ist in zweierlei Hinsicht sehr wertvoll. Zum einen fand sie mit wild lebenden Fischen statt und zum anderen zeigt sie, dass Fische neugierige und sehr lernfähige Wesen sind. Studien zu den kognitiven Fähigkeiten bei wilden Fischen sind selten, da sie nicht einfach durchzuführen sind. Doch scheinbar sind Fische durchaus gewillt, freiwillig an Tests mitzuwirken, wenn es sich lohnt.

Zudem zeigt sie auch auf, dass Fische an anderen Arten, inklusive Mensch, interessiert sind und deren Treiben verfolgen. Kois beispielsweise scheinen motiviert zu sein, mit Menschen zu interagieren. 

Die Wissenschaftler:innen erklären in diesem Video, warum und wie sie diese Studie durchführten. Sie betonen zudem, wie faszinierend das Verhalten der Fische war und dass Studien mit wildlebenden Fischen neue Zugänge zum Verständnis der kognitiven Fähigkeiten von Fischen ermöglichen.

Literatur

Tomasek, M., Soller, K., & Jordan, A. (2025). Wild fish use visual cues to recognize individual divers. Biology Letters, 21, 20240558. (abstract)