Mit weltweit über 37’000 Arten weisen Fische bei den Wirbeltieren die grösste Artenvielfalt auf. In der Schweiz sind über 100 Arten bekannt (s. Die Schweiz ist ein Hotspot der Fischvielfalt). Nun haben die Biologin Bárbara Calegari und ihre Kolleginnen im Rahmen eines grossen Forschungsprojekts zum Erhalt der Biodiversität in Schweizer Gewässern zwei weitere Arten entdeckt. Es handelt sich dabei um zwei Bartgrundelarten (Barbatula sp.), die in unterschiedlichen Gewässertypen leben.
Namensgebung unter Einbezug der Bevölkerung
Neu entdeckte Arten erhalten jeweils einen wissenschaftlichen Namen. Sie sind lateinisch oder griechisch und folgen der binomischen Nomenklatur, das heisst sie bestehen aus zwei Teilen, dem Gattungsnamen, in diesem Fall Barbatula, und dem Artnamen, der eine genauere Beschreibung der Art ermöglicht. Für diesen zweiten Teil rufen die Forscher:innen die Bevölkerung nun auf, an der Namensgebung teilzunehmen.
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Die beiden neu entdeckten Arten unterscheiden sich in Kopf- und Körperformen von anderen Barbatula-Arten. Untereinander lassen sie sich unter anderem an den Brustflossen unterscheiden, die auf ihren unterschiedlichen Lebensraum hinweisen.
Unterschiede im Körperbau, Farbmuster und Lebensweise
In Europa sind 13 Arten der Gattung Barbatula bekannt. Bisher ging man davon aus, dass in der Schweiz nur die Bartgrundel oder Bachschmerle (Barbatula barbatula) vorkommt. Doch nun haben die morphologischen, genetischen und ökologischen Untersuchungen der im Rahmen des Projekts gefundenen Individuen ergeben, dass sich diese deutlich von ihren Artgenossen aus anderen europäischen Regionen unterscheiden. Zum einen weisen ihre Kopf- und Körperformen sowie die Farbmuster an Bauch und Brust deutliche Unterschiede auf.
Zum anderen haben Vergleiche zwischen den beiden neuen Arten Unterschiede ergeben, die auf den jeweiligen Lebensraum hindeuten. Eine Art lebt in schnell fliessenden Bächen und Flüssen des oberen Rheineinzugsgebiets und bis ins Donaueinzugsgebiet in Deutschland und Österreich. Diese Art weist grössere und stärkere Brustflossen auf, die ihr bei Turbulenzen im Wasser Stabilität verleihen.
Die andere Art ist in den ruhigeren Gewässern des Aaresystems verbreitet und findet sich im Neuenburger-, Bieler-, Zürich- und Walensee sowie im Vierwaldstädtersee bei Luzern. Sie besitzt kleinere und zierlichere Brustflossen sowie eine grössere Schwimmblase, die ihr je nach Wassertiefen besseren Auftrieb verleiht.
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Das Forschungsteam entnimmt Proben an der Langete. Es setzt die Methode des Elektrofischens ein. Diese Methode ermöglicht es, Fischbestände schnell und schonend zu erfassen und zu untersuchen.
Biodiversität in Süssgewässern bedroht
Immer wieder werden neue Fischarten entdeckt. Auch in Europa und der Schweiz sind noch keineswegs alle Fischarten bekannt. Circa die Hälfte der weltweit beschriebenen Fischarten leben in Süssgewässern, was zeigt, wie wichtig diese Lebensräume sind.
Doch gerade in den Süsswasserökosystemen ist der Verlust an biologischer Vielfalt besonders dramatisch, denn der Mensch hat in vergangener Zeit stark in diese Lebensräume eingegriffen. Man hat die Flüsse begradigt, eingedolt und verbaut und Wasserkraftwerke und Schwellen erstellt, die die Strömungsverhältnisse und die Restwassermengen erheblich beeinflussen und Fischwanderungen verunmöglichen.
Von den bisher bekannten Arten sind 37 Prozent der in Europa lebenden Süsswasserfische bedroht und mindestens 13 Arten bereits ausgestorben (Freyhof und Brooks, 2011).
Zustand der Fischfauna in der Schweiz
In der Schweiz ist die Situation bei den Fischen ebenfalls nicht gut. Es sind 71 Fisch- und Ründmäulernarten bekannt, geschätzt wird deren Anzahl auf 106, da immer wieder neue Arten entdeckt werden, wie der Fall der beiden neuen Bartgrundelarten zeigt. In neuerer Zeit wurden zudem neue Felchenarten beschrieben, wobei bei dieser Gruppe weiterhin Unsicherheiten in der Bestimmung bestehen. Von 66 Fisch- und Rundmäulerarten, die für die Rote Liste bewertet wurden, sind 66 Prozent der Arten ausgestorben oder gefährdet, 14 Prozent potentiell gefährdet und nur 20 Prozent nicht gefährdet. Bei fünf Arten waren die Daten ungenügend für eine Bewertung (Rote Liste Stand 2023).
Literatur
Freyhof, J. and Brooks, E. 2011. European Red List of Freshwater Fishes. Luxembourg: Publications Office of the European Union.
BAFU / info fauna 2022: Rote Liste der Fische und Rundmäuler. Gefährdete Arten der Schweiz. Bundesamt für Umwelt (BAFU); info fauna (CSCF). Aktualisierte Ausgabe 2022. Umwelt-Vollzug Nr. 2217: 37 S.