Der Vieraugenfische Anableps anableps gehört zur Ordnung der Cyprinodontiformes. Die Gattung umfasst neben der hier vorgestellten Art mit A. dowi und A. microlepis zwei weitere Arten. Erwachsene Vieraugenfische sind schlanke, ca. 15 bis 30cm lange Fische mit blauen Längsstreifen, pigmentierten Brust- und Schwanzflossen sowie den charakteristischen wulstige und nach oben gerichteten Augen mit quer geteilten Pupillen (Perez 2017).
Sie kommen an der südamerikanischen Nordostküste in Venezuela und Brasilien vor und leben hier entlang der Küste im Brackwasser von Mangrovenwäldern, die ihnen Nahrung und bei Gefahr Verstecke bieten. Sie leben in gemischtgeschlechtlichen Gruppen.
Grenzgänger zwischen Wasser und Land
Vieraugenfische besetzen die Nische zwischen Wasser und Land. Sie nutzen die Gezeiten, um nach Nahrung zu suchen. Bei Flut schwimmen sie in die überfluteten Mangrovenwälder und mit der einsetzenden Ebbe schwimmen sie allmählich wieder zurück zu ihren Ruhe- und Fressplätzen in der Schwemmzone (Brenner 2007).
Aus 2 mach 4
Vieraugenfische schwimmen üblicherweise an der Wasserlinie. Sie können schlecht tauchen und suchen daher ihre Nahrung vorwiegend an der Wasseroberfläche. Dabei helfen ihnen spezielle Augen, ein einzigartiges Merkmal dieser Fischart: Sie können gleichzeitig über und unter dem Wasser sehen.
In ihren Augen haben sich morphologische Anpassungen entwickelt, so dass ihre Augen gleichzeitig Lichtreize aus der Luft und aus dem Wasser aufnehmen können. Dafür ist die Hornhaut durch einen Pigmentstreifen in zwei Teile geteilt, wobei der Teil über dem Wasser flacher ist als derjenige unter Wasser. Dies, weil Licht aus der Luft stärker gebrochen wird, als das Licht aus dem Wasser. Weitere Anpassungen sind die ovale Linse, die sonst bei den meisten Fische kugelförmig ist, und die ebenfalls zweigeteilte Netzhaut (Owens 2009).
Gutes Farbsehen
Als weitere Anpassung weisen die Augen 10 Opsine (Lichtrezeptoren im Sehpigment) auf, mit denen sie die Violett, Blau, Grün und Rot wahrnehmen können (Owens 2009). Die zwei Teile der Augen unterscheiden sich in der Empfindlichkeit gegenüber Wellenlängen: Der Teil unter dem Wasser ist empfindlicher gegenüber langwelligem Licht, also vom orangen bis zum roten Farbspektrum, was vermutlich eine Anpassung an das häufig trübe Wasser in den Mangrovenwäldern ist (Owens, 2011)
Breites Nahrungsspektrum
Vieraugenfische sind nicht allzu wählerisch bei der Nahrungswahl. Sie ernähren sich vorwiegend von verschiedenen Algen, zudem von Insekten, Muscheln, Fischen, Mangroven-Krabben sowie organischem Material, das sie aus Schlamm und Detritus aufnehmen. Sie weiden gerne den Aufwuchs ab, der auf den Mangrovenwurzeln wächst, eine Win-Win-Situation, denn die Mangroven werden vom Algenbewuchs befreit, was zu einem besseren Wachstum der Bäume führt (Brenner 2007, Figueiredo).
Interessant ist, dass Vieraugenfische auch an Land nach Nahrung suchen können. Wenn der Wasserstand sehr tief ist, suchen sie die Schlammbänke nach Fressbarem ab. Dabei setzen sie ihr unterständiges Maul anders ein als wenn sie unter Wasser ein Beutetieren nachstellen. An Land positionieren sie Kopf und Maul direkt über der Beute. Für die gezielte Aufnahme hilft ihnen, dass ihr Oberkiefer hervorsteht und sie ihn drehen können. Unter Wasser pirschen sie sich an ihre Beute an und erbeuten sie mit einer Kombination aus Beissen und Einsaugen (Michel 2015).
Das Video aus der Studie von Michel et al. 2015 zeigt, wie die Vieraugenfische ihr Maul einsetzen, um Nahrung zu packen.
Zuweilen springen sie sogar nach fliegenden Insekten (Wothke 1998). Ihr langgezogener Körper erleichtert ihnen dabei, beim Sprung aus dem Wasser zu beschleunigen. Tagsüber und wenn die Flut stark ist, ist es für Viergaugenfische am ergiebigsten, auf Nahrungssuche zu gehen (Brenner 2007).
Jungtiere schlüpfen fertig entwickelt
Die Vieraugenfische gehören zu den ca. 20 % Fischarten, die lebendgebärend sind. Die Embryonen wachsen im Weibchen heran, wobei sie vom Muttergewebe genährt werden (Knight 1985). Die Jungtiere können bis zu 57mm lang sein, wenn sie geboren werden (Oliveira 2011).
Die beiden Geschlechter unterscheiden sich (Geschlechtsdimorphismus). Die Weibchen sind grösser als die Männchen. Beim Männchen sind Strahlen der Afterflosse zu einer Röhre umgebildet, durch die es die Spermien freisetzt. Dies ist eine anatomische Anpassung, damit die innere Befruchtung möglich wird (Nascimento 2008).
Je grösser das Weibchen ist, desto mehr Junge gebärt es (Oliveira 2011). Unmittelbar nach der Geburt der Jungtiere kann wieder eine Paarung erfolgen. Vieraugenfische pflanzen sich ganzjährig fort (Nascimento 2008) mit einer Spitze im September, wenn die Weibchen am meisten Embryonen produzieren (Guedes 2021).
Nach Beobachtungen an in Aquarien gehaltenen Vieraugenfischen dauert es 13 bis 14 Wochen, bis sich die Jungtiere im Körper des Weibchens entwickelt haben. Für eine erfolgreiche Zucht scheint es Erfahrung zu brauchen (Jauch 1987).
Das Video zeigt einen Gebärvorgang beim Vieraugenfisch (© TheExAquarist, YouTube)