Enorme Bandbreite
Die Lebenserwartung unterscheidet sich bei den verschiedenen Fischarten enorm. Sie reicht von wenigen Wochen bis zu mehreren Hundert Jahren. Wie lange Fische leben, wird vermutlich von verschiedenen Faktoren wie Körpergrösse, Geschlecht, Temperatur, Nahrung, Alter der Geschlechtsreife, Fortpflanzung sowie die Genetik beeinflusst.
Auch bei den Aquarienfischarten ist die Lebenserwartung sehr unterschiedlich. Bei den häufig gehaltenen Arten variiert sie zwischen 2 und 30 Jahren auf. Zebrabärblinge beispielsweise erreichen ein Alter von ca. 5 Jahren, die beliebten Panzerwelse werden durchschnittlich 12 Jahre alt und Goldfische können durchaus 40 Jahre alt werden.
Natürlich gibt es auch bei den Fischen die Extreme.
Ein Leben im Schnelldurchlauf
Eviota sigillata, ein Meeresfisch aus der Familie der Grundeln, hat die kürzeste bisher bekannte Lebenserwartung unter den Wirbeltieren. Die Zwerggrundel misst nur 11 bis 20 mm. Die ersten drei Lebenswochen lebt sie als Larve im offenen Ozean. Danach kehrt sie ins Riff zurück, wo sie sich innerhalb von vier Tagen zum geschlechtsreifen erwachsenen Fisch entwickelt. Nun hat sie knapp 30 Tage Zeit sich fortzupflanzen, bevor sie stirbt. Das Leben der Grundel dauert insgesamt nur 59 Tage, also knapp zwei Monate. Trotz dieser kurzen Lebenszeit sind Zwerggrundeln eine sehr erfolgreiche Gruppe, die ca. 70 Arten umfasst und eine Verbreitung über den pazifischen und indischen Ozean hat.
Ein Leben in Zeitlupe
Das Gegenstück zur kleinen Grundel ist der grosse Grönlandhai (Somniosus microcephalus): Diese imposante Haiart wird bis zu 400 Jahren alt und ist damit das Wirbeltier mit der längsten Lebensdauer. Sein Lebensraum ist der Nordatlantik, wo er in eine Tiefe von bis zu mindestens 1800 Meter vordringt. Er erreicht eine beachtliche Grösse von vier bis fünf Meter, wobei die Weibchen grösser werden als die Männchen. Pro Jahr wächst er nur einen Zentimeter und die Fortpflanzungsfähigkeit soll er mit 150 Jahren erreichen (fishbase.org).
Viel mehr weiss man jedoch von dieser Art nicht, seine Biologie ist weitgehend unerforscht. Seine spezielle Biologie macht ihn jedoch sehr verletzlich und sein Status auf der Roten Liste der IUCN wird als «zunehmend gefährdet» eingestuft.
Dieses Video zeigt spannende Aufnahmen vom Grönlandhai und gibt weitere Informationen (in Englisch).
Die Fang-Wiederfangmethode
Bei dieser Methode fängt man Fische ein, markiert sie, lässt sie frei und fängt sie nach einer gewissen Zeit wieder ein. Aufgrund der Wiederfangraten können Überlebensraten errechnet und davon ausgehend auch die Lebenserwartung grob abgeschätzt werden. Diese Methode ist jedoch nur beschränkt nutzbar, und bei sehr langsam wachsenden Fischen wie Knorpelfischen oder bei sehr mobilen Arten ist sie ungeeignet.
Analyse der harten Strukturen bzw. Zählen der Wachstumsbänder
In der Wissenschaft wird das Alter von Fischen häufig mit Hilfe von Schuppen, Otolithen (kalkige Gehörsteine im Schädel), Kiemendeckel, Wirbel oder Flossenstachel bestimmt. Bei diesen Strukturen entstehen Wachstumsringe, deren Ausprägung durch den Wechsel der Jahreszeiten und die unterschiedlichen Umweltbedingungen beeinflusst werden. Ähnlich wie man bei Bäumen die Wachstumsringe zählt, kann man auf diese Weise auch bei Fischen das Alter ablesen.
Diese Methode eignet sich für Knochenfische, nicht aber für Knorpelfische wie Haie oder Rochen. Da diese Arten keine kalkigen Strukturen wie Otolithen besitzen, muss man ihr Alter anhand der Wachstumsbänder in den Wirbeln schätzen. Die Anzahl dieser Bänder steigt mit dem Alter der Fische an.
In einer Studie an zwei konservierten Walhaien (Rhyncodon typus) konnte man anhand dieser Methode zeigen, dass die Wachstumsbänder bei dieser Art jährlich angelegt werden, genauso wie die Baumringe. Daraus hat man abgeleitet, dass das 10 Meter lange Weibchen ein Alter von 50 Jahren, das gleich grosse Männchen ein Alter von 35 Jahre erreicht hatte.
Altersbestimmung mit der Radiokarbonmethode
Die Altersbestimmung mit der Radiokarbonmethode basiert auf dem radioaktiven C14-Kohlenstoffisotop. Dieses Isotop ist in der Atmosphäre enthalten und wird von Pflanzen aufgenommen. Tiere nehmen es mit der Nahrung und kann im Körpergewebe von Tieren nachgewiesen werden. Stirbt das Tier, kann es kein C-14 mehr aufnehmen, das Isotop zerfällt mit einer Halbwertszeit von 5'730 Jahren. Anhand der Konzentration in den konservierten Organismen oder in Knochen kann man berechnen, wann das Isotop eingelagert wurde.
Bei der Altersbestimmung der oben erwähnten Grönlandhaie (Somniosus microcephalus) hat man mit der Radiokarbonmethode die Augenlinsenkerne analysiert.
Einige Beispiele von häufig gehaltenen Aquarienfischen
- Der Türkise Prachtgrundkärpflinge (Nothobranchius furzeri) ist ein Zahnkärpfling, der nur 3 Monate alt wird; unter optimalen Bedingungen kann er 5 bis 6 Monate alt werden. Er lebt in der Ostafrikanischen Savanne in kleinen Tümpeln, die nur während der Regenzeit mit Wasser gefüllt sind. Das erfordert eine sehr schnelle Entwicklung. Schon 3 Wochen, nachdem die Kärpflinge aus den Eiern geschlüpft sind, sind sie fortpflanzungsreif. Die trockenresistenten Eier überdauern die Zeit nach dem Austrocknen der Tümpel im Boden. Diese Art wird seit längerem in der Altersforschung eingesetzt.
- Der Zebrafisch (Danio rerio) ist sowohl ein beliebter Aquarienfisch (siehe Artenportrait) als auch diejenige Fischart, die am meisten in der Tierversuchsforschung (siehe Laborfische) eingesetzt wird. Er kann bis zu 5 Jahren alt werden.
- Der Skalar (Pterophyllum scalare) (siehe Artenportrait) ist als charismatischer Fisch einer der beliebtesten Aquarienfische. Er kann gut und gerne 10 Jahre alt werden.
- Die Prachtschmerle (Chromobotia macracanthus) (siehe Artenportrait) wird gross und kann 15+ Jahre alt werden. Die meisten Inviduen stammen wohl leider aus Wildfang. Ihre Anschaffung will also sehr gut überlegt sein.
- Der Echte Anemonenfisch (Amphiprion percula) ist ein Riffbewohner und kann 30 Jahre alt werden. Das ist ein stolzes Alter für einen Fisch, der mit einer Körperlänge von 6 bis 11 cm eher in der Fischwelt zu den kleineren Arten gehört. Diese Art ist eine der wenigen Meeresfischarten, die für die Aquarienhaltung gezüchtet werden können.
- Kois, die domestizierte Form des Karpfens (Cyprinus carpio), sind beliebte Teichfische. Sie sollen durchschnittlich 15 bis 25 Jahre alt werden, können aber bis zu 50 Jahre alt und vielleicht sogar noch älter werden.
Einige Beispiele aus der freien Wildbahn
- Aale (Anguillidae) werden je nach Art zwischen 8 bis 88 Jahre alt.
- Auch der Quastenflosser, die lebenden Fossilien, gehören zu den am längsten lebenden Fischarten, sie werden vermutlich bis zu 100 Jahre alt (Mahe 2021).
- Der Großmäulige Büffelfisch (Ictiobus cyprinellus) lebt in nordamerikanischen Gewässern. Altersbestimmungen gemäss kann er mindestens 112 Jahre alt werden. Er ist somit der langlebigste Süsswasserfisch, den man bisher kennt. Besonders interessant ist, dass er mit zunehmendem Alter keinerlei Alterserscheinungen zeigt, im Gegenteil, er scheint immer robuster zu werden.
- Der Walhai (Rhyncodon typus) ist mit 14 Metern Länge der grösste Fisch der Welt. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode (siehe Methoden zur Altersbestimmung) haben Forscher 2 konservierte Exemplare, ein Weibchen und ein Männchen, untersucht. Beide Tiere waren 10 Meter lang, für das Weibchen ergaben die Untersuchungen jedoch ein Alter von 50 Jahren, für das Männchen 35 Jahre. Allerdings vermuten die Forscher, dass Walhaie bis zu 100 Jahre alt werden können (Ong 2020).