Aquarium - Unterwasserwelt

Die Klangwelt im Riff entschlüsseln

Riffe sind voller Geräusche. Doch welche Fischarten welche Laute erzeugen, ist alles andere als einfach zu ermitteln. Mit einer neuen audiovisuellen Methode soll dies nun gelingen (Dantzker et al 2025).  

Viele Rifffischarten kommunizieren via Lautäusserungen miteinander und verursachen so einen sehr komplexen Klangteppich. Meist erzeugen sie jedoch Laute, die leise und sehr schnell sind. Daher war es bisher praktisch unmöglich, im Gewusel des Riffs die Geräusche einzelnen Fischarten zuzuweisen und so Arten aufgrund ihrer Lautäusserungen zu identifizieren.

Daher haben die Autor:innen dieser Studie eine Methode entwickelt, die aus einer Kombination aus Unterwasser-Audio- und Videoaufnahmen besteht. Mit dieser Kombination gelang es ihnen, individuelle Laute aus den Aufnahmen herauslösen und der jeweiligen Art zuordnen, die den Laut abgegeben hatte. Dies erlaubte ihnen zum einen, die Artenvielfalt im untersuchten Riff zu erfassen und zum anderen, einen Bezug zwischen der Lautäusserung und dem Verhalten herzustellen.

Bestimmen der Laute auf Artniveau mit neuartigem Gerät

Die Aufnahmegerät wurde an verschiedenen Orten im Riff von Curaçao in Tiefen von 3 bis 45 Metern aufgestellt. Damit konnten die Forscher:innen von 46 Arten, die zu 19 Familien gehören, Laute identifizieren, von denen bisher keine Laute aus ihrem natürlichen Habitat bekannt waren.

Mit dem neuen Ansatz können die bisher eingesetzten akustischen Methoden (s. Abbildung 1) verfeinert und neu Lautäusserungen auf Artniveau bestimmt werden. Das neue in dieser Studie verwendete Aufnahmegerät, die UPAC-360° (omni-directional Underwater Passive Acoustic Camera), besteht aus einem Sensorpaket mit vier Hydrophonen, die kompakt in einem Quadrat angeordnet sind, und einer handelsüblichen 360°-Kamera (Rundumkamera), die sich in der Mitte des Quadrats befindet (s. Abbildung 2).

Das Gerät zeichnet kontinuierlich Audio- und Videodaten in alle Richtungen auf. Selbst wenn viele Fische im Aufnahmebereich der Kamera schwimmen, kann das Gerät die Position eines bestimmten Fischs lokalisieren. Aus den Audiodaten haben die Forscher:innen eine Karte erstellt, auf welcher die Töne visualisiert sind. Diese Karte legten sie die anschliessend über das Video, sodass sie bestimmen konnten, welcher Fisch den Laut oder das Geräusch verursacht hat.

In diesem Video von Dantzker et al. sind Beispiele der visualisierten Audiodateien zu sehen.

Abbildung zu den verschiedenen Methoden
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Abb. 1. Die Abbildung zeigt die verschiedenen Methoden, mit denen Lautäusserungen von Fischen aufgenommen werden, mit den Vor- und Nachteilen. (a) Aufnahmen in Aquarien. Eindeutige Zuordnung, aber Verhalten beeinträchtigt. (b) Fernkameras mit Hydrophon: Natürliches Verhalten, aber enges Sichtfeld, oftmals mit Fehlzuordnungen verbunden. (c) Taucher: flexibles Sichtfeld, aber ähnliche Einschränkungen. (d) Fernkamera mit mehreren Hydrophonen: erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Laut vom gesichteten Fisch stammt. (e) UPAC-360° (omnidirektionale passive Unterwasser-Akustikkamera): kompakt, geringe Auswirkungen auf das Verhalten der Fische, mit 360° grosser Erfassungsbereich.
© Dantzker et al., 2025, CC BY 4.0 ; doi/10.1111/2041-210X.70149

Abbildung mit Kamera
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Abb. 2. Die Unterwasser-Akustikkamera sowie die Datenvisualisierungen. (a) Die UPAC-360 besteht aus vier Hydrophonen, die kompakt in einem Quadrat angeordnet sind, und der 360°-Kamera in der Mitte. (b) Das gleichwinklige Bild der Kamera nach dem Zusammenfügen der Bilder ihrer beiden Sensoren. (c) Die Powermap-Visualisierung der Schallfeld-Energieverteilung des Fischlautes. (d) Überlagerung der Powermap-Visualisierung mit dem Video. (e) Neuausrichtung des Bildes, um überlappende Schallquelle zu erfassen. In diesem Beispiel wurden alle drei Fische innerhalb der Erkennungszone als die Art Clepticus parrae idenfiziert. Daher ordneten die Forscher:innen den Schall dieser Art zu und anhand von Verhaltenshinweisen aus dem Video zudem präziser dem Fisch in der Mitte.
© Dantzker et al., 2025, CC BY 4.0 ; doi/10.1111/2041-210X.70149

Verbesserter Artenschutz dank genauerer Daten

Mit der neuen Methode möchten die Wissenschaftler:innen besser zu verstehen, wo die Fische leben, wie sich ihre Bestände verändern, welche Lebensbedingungen sie brauchen oder welchen Gefahren sie ausgesetzt sind. Anhand solcher Daten können gezielte Massnahmen für den Schutz der Arten und der Riffe ergriffen und umgesetzt werden. Denn eine hohe Vielfalt der Fischarten ist für die Gesundheit und Widerstandskraft von Korallenriffen entscheidend.

Hinweis

Die Daten, die mit der neuen Methode gesammelt wurden, sind in einer online-Audiobibliothek (https://www.fisheyecollaborative.org/library) abgelegt, die frei zugänglich ist und für weitere Analysen zu Verfügung stehen. Hier sind auch Videos der Aufnahmen zu sehen. 

Literatur

Dantzker, M. S., Duggan, M. T., Berlik, E., Delikaris‐Manias, S., Bountourakis, V., Pulkki, V., & Rice, A. N. (2025). Deciphering complex coral reef soundscapes with spatial audio and 360° video. Methods in Ecology and Evolution, 16, 2622-2637. (abstract)