Eine Rötliche Saugbarbe auf dem Bodengrund

Rötliche Saugbarbe

Garra rufa

Rötliche Saugbarben sind friedliche Fische. Ihren Name hat die Art von ihrem speziell gestalteten Mund, der dem Festsaugen, aber auch zum Abraspeln von Oberflächen dient. Das machen sie auch die Menschen zunutze.

Die rötliche Saugbarbe wird auch Knabberfisch oder Doktorfisch genannt, weil sie aufgrund ihres Knabberverhaltens zu therapeutischen Zwecken verwendet wird. Eine weitere Bezeichnung ist Kangalfisch, nach dem Städtchen Kangal, einem Ort in der Türkei (weitere Infos dazu im Abschnit "Spezielle Verhaltensweise: Beknabbern der Haut").

Rötliche Saugbarben sind neugierige und lebhafte Fische. Sie können ein Alter von 5 Jahren erreichen, vermutlich auch mehr (Patimar 2010). Das Aquarium muss mit vielen Rückzugsmöglichkeiten gut strukturiert sein und Oberflächen bieten, die die Fische abweiden können.

Gruppengrösse
Die Rötliche Saugbarbe ist ein gruppenlebender Fisch. Die Gruppe sollte 6 bis 10 Tiere umfassen.

Aquariengrösse
Da die Saugbarben bis zu 15cm gross werden können, brauchen sie grosse Aquarien. Empfehlenswert ist mindestens ein 360-Liter-Aquarium (z.B. 100x60x60cm), bei grösseren Gruppen sind Aquarien ab 400 Liter empfehlenswert (z.B. 150x60x50cm).

Einrichtung
Da diese Art in der natürlichen Umgebung bodenorientiert ist, sollten die Aquarien möglichst viel zugängliche Bodenfläche haben. Die Saugbarben halten sich gerne zwischen und unter Steinen auf. Mit Steinen, Holz und Pflanzen können Nischen, Verstecke und Höhlen gestaltet werden.
Wichtig: Da Saugbarben aus dem Aquarium springen können, sollte das Aquarium entweder gedeckt sein oder der Wasserstand so gehalten werden, dass sie nicht herausspringen können.

Futter
Sie weiden gerne Aufwuchs von Steinen ab, wofür sie eine speziell geformte Maulpartie besitzen (siehe Merkmale). Daher müssen ihnen Strukturen angeboten werden, die sie abweiden können.
Sie nehmen auch Frost- und Trockenfutter, Futtertabletten sowie Lebendfutter wie Mückenlarven oder Daphnien an.

Wasserwerte
pH 7 – 8, mässig hartes Wasser, Gesamthärte 12-17 °dGH. Die Saugbarben vertragen Temperaturen zwischen 15 und 28 °C gut. Auch wenn sie höhere Temperaturen über 30 °C vertragen, sollten sie nicht über eine längere Zeit unter diesen Bedingungen gehalten werden. Da sie ebenfalls kühlere Temperaturen vertragen, sind sie auch für Kaltwasseraquarien geeignet (siehe dieses Aquarienportrait einer Gemeinschaftshaltung)

Vergesellschaftung
Saugbarben sind friedliche Fische. Man kann sie mit anderen friedlichen Arten wie, kleineren Barbenarten, Kleilfleckbärblingen oder Kardinalfischen sowie mit Panzerwelsen vergesellschaften. Man kann sie auch mit kleineren friedlichen Buntbarschen zusammenhalten, allerdings muss das Aquarium genug gross sein (150x60x60cm).

Spezielles Verhalten: Beknabbern
Den Namen Knabberfisch tragen die Saugbarben, weil sie gerne alles beknabbern. Dieses Verhalten zeigen die Barben auch im Aquarium: Hält man einen Finger ins Wasser, sind sie sofort da und beginnen mit Beknabbern.

Taxonomie

Die Saugbarben gehören in der Ordnung der Karpfenartigen (Cypriniformes) zur artenreichen Familie der Karpfenfische (Cyprinidae) und zur Unterfamilie der Labeoninae. 

Merkmale

Rötliche Saugbarben erreichen eine Grösse von ca. 15 Zentimetern. Die Körperfarbe ist variabel, es gibt hellere und dunklere Individuen. Typisch ist aber eine braunolive bis dunkelgrüne Färbung mit gesprenkelten Flanken und einem hellen Bauch. Ein blaugrünes Band verläuft entlang der Flanken, das in einem dunklen Fleck an der Schwanzbasis endet. Mit ihrer Färbung sind sie in ihrer natürlichen Umgebung im Flussbett gut getarnt sind. 

Sie haben einen breiten, schuppenlosen Kopf und einen länglichen Körper. Ihr unterständiger, halmondförmiger Mund weist zwei Paar Barteln sowie fleischige Lippen und eine Haftscheibe auf. Die Haftscheibe ist rund mit einer flachen, glatten Vertiefung in der Mitte und erzeugt eine Saugnapfwirkung. Sie dient ihnen in erster Linie dazu, sich in den schnell fliessenden Gewässern am Untergrund wie Felsen oder Steinen festzuhalten (Jarvis 2011, Teimori 2011, Shimada 2025).

Verbreitung

Die Gattung Garra ist in Südwest- und Südostasien sowie in Afrika verbreitet. Die ursprüngliche Herkunft der Rötlichen Saugbarbe ist der Nahen Osten, hier ist sie weit verbreitet. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst die Flussgebiete von Jordan, Orontes, Tigris und Euphrat sowie einige Küstenflüsse in der Südtürkei, Nordsyrien und Westiran. Sie ist hier eine endemische Art, das heisst, sie kommt nur hier vor (Patimar 2010, Korkut 2025)

Zwar sind die Saugbarben gemäss der Roten Liste der IUCN nicht gefährdet. Doch die Populationen geraten zunehmend unter Druck, zum einen wegen der weltweiten Nachfrage nach dieser Art und zum anderen aufgrund des Klimawandels, menschlicher Aktivitäten wie Dammbau und Landwirtschaft sowie der starken Verschmutzung ihrer Heimgewässer. Daher werden die Populationen als tendenziell abnehmend eingestuft (IUCN, Korkut 2025).

Die Art kommt in verschiedenen Lebensräumen wie Flüssen, Seen, kleinen Teichen und kleinen schlammigen Bächen vor. Sie bevorzugt seichte, schnell fliessende und warme Gewässer mit felsigem und sandigem Boden. Gerne verstecken sich die Saugbarben unter und zwischen Steinen und der Vegetation. Die Haftscheibe an ihrem Mund erlaubt ihr, sogar Gebirgsbäche mit starker Strömung zu besiedeln (Patimar 2010, Shimada 2025, fishbase.org)

Sie besiedelt ökologisch vielfältige Lebensräume, die sich durch grosse Temperatur- und Höhenunterschiede auszeichnen und zeigt daher eine bemerkenswerte morphologische und physiologische Plastizität (Korkut 2025).

Die Saugbarben leben bodenorientiert. Mit ihrem Saugmund raspeln sie den Aufwuchs von unterschiedlichen Oberflächen ab. Die zahlreichen Drüsensekretionsorgane und keratinisierten Stacheln an der vorderen Lippenfalte helfen ihnen, Nahrung von der Oberfläche von Kieselsteinen und Steinen zu kratzen (Teimori 2011). Dabei nehmen sie vor allem Phytoplankton auf, wobei hier die Algen und insbesondere die Kieselalgen (Bacillariophyta) den Hauptteil ausmachen. Kleintiere wie Kleinkrebschen und anderes Zooplankton nehmen sie in geringerem Umfang auf (Demirci 2016, Shimada 2025)
 

Die Rötliche Saugbarbe ist ein gruppenlebender Fisch. Sie können ein Alter von 5 Jahren erreichen, vermutlich auch mehr (Patimar 2010).

Fortpflanzung
Sie erreichen ihre Geschlechtsreife im Alter von einem Jahr. Die Laichzeit In natürlichen Lebensräumen findet von Mai bis August statt. Allerdings kann sie je nach Lebensraum variieren, so erfolgt sie in kühleren Gegenden während ein wenigen Wochen im Frühling (Patimar 2010).

In einer Studie im Armand, ein Fluss im Zentraliran, hat man das Fortpflanzungsverhalten an wilden Saugbarben untersucht. Das Laichgeschehen dauerte von April bis November, wobei bei den Weibchen im Juni und bei den Männchen im Mai der Höhepunkt zu verzeichnen war. Die Fische laichen wiederholt ab und nicht alle zur gleichen Zeit. Eine solche Strategie – eine lange Fortpflanzungszeit und wiederholtes Laichen – ist eine Anpassung an die instabilen Umweltbedingungen dieses Lebensraums (Abedi 2011).
 

Das Interesses an den «Doktorfischen» für medizinische und kosmetische Zwecke im Gesundheits- bzw. Tourismusbereich (siehe Abschnitt "Spezielle Verhaltensweise: Beknabbern der Haut") hat die Nachfrage und somit den Druck auf die Wildpopulationen steigen lassen. Jährlich werden Millionnen von Saugbarben ins Spas eingesetzt. In der Türkei ist die Entnahme von wildlebenden Saugbarben verboten, allerdings wird dieses Verbot gemäss Çelik (2023) unterlaufen. Daher ist die Zucht dieser Art wichtig, um die natürlichen Bestände zu erhalten (Aydin 2020, Çelik 2023). 

Unter Laborbedingungen laichen die Saugbarben häufiger als im Freiland. Das Ablaichen kann alle 15–30 Tage stattfinden. Werden die Fische bei einer Wassertemperatur von 28 °C gehalten, schlüpfen 85–90 % der Eier innerhalb von 35 Stunden nach dem Laichen. Die Larven öffnen nach drei Tagen ihr Maul und beginnen, Futter zu suchen. Am vierten Tag nach dem Schlüpfen beginnen sie zu schwimmen. Das Larvenstadium dauert bei einer Temperatur zwischen 24 °C und 32 °C etwa 15 Tage (Çelik 2023, Shimada 2025).

Die Saugbarben sind neugierige Fische. Dies zeigt auch der Fall Kangal, eine Ortschaft in der Zentraltürkei, die der Art zu ihrem zweiten Namen – Kangalfisch – verhalf. Hier lebt die Art in den mit 35 Grad sehr warmen Thermalquellen (Shimada 2025), die auch von Menschen schon seit sehr langer Zeit als Badeort genutzt werden. 

Aufgrund der hohen Temperatur des Thermalwassers ist hier allerdings das Plankton als die eigentliche natürliche Nahrungsgrundlage der Kangalfische rar. Doch die erkundungsfreudigen Saugbarben wussten sich zu helfen: Mit der menschlichen Haut der Linderung suchenden Badegäste haben sie sich eine neue Nahrungsquelle erschlossen, die sich wie andere Oberflächen leicht beknabbern liess. 

Durch das sanfte Beknabbern entfernen die Barben die abgestorbenen, verhornten Hautzellen, was die Leute als angenehm und auch heilsam empfinden. Dieses Verhalten zeigen die Barben auch im Aquarium: Hält man einen Finger ins Wasser, sind sie sofort da und beginnen mit Beknabbern.

Ichthyotherapie
Das Knabberverhalten macht man sich auch in der alternativen Medizin für Biotherapien zunutze. In der sogenannten Ichthyotherapie (griechisch ichthýs, Genitiv: ichthyós = Fisch) setzt man die Kangalfische bei Leuten ein, die an Hautkrankheiten wie zum Beispiel Akne, Psoriasis oder Ekzemen leiden. In kosmetischen Behandlungen (Fisch Spa) werden die Kangalfische zur Fischpediküre verwendet. Beide Anwendungen haben seit ihren Anfängen in der Thermalquelle von Kangal in der Tourismus- und Gesundheitsbranche an Popularität gewonnen.

Allerdings ist nicht erwiesen, dass die Ichthyotherapie tatsächlich nützt. Zudem gibt es die Gefahr von Zoonosen, also von Krankheiten, die von den Fischen auf den Menschen übertragen werden, sowie gesundheitliche Risiken, insbesondere für Personen mit geschwächtem Immunsystem. (Shih 2020, Shimada 2025).

Instrumentalisierung der Fische
Der Einsatz der Saugbarben wirft auch tierschützerische Fragen auf. Denn schlechte Haltungsbedingungen, ungenügende Wasserqualität und ein mangelhafter Umgang können bei den Fischen Stress und Krankheiten und somit viel Leid verursachen.

Zudem werden sie oftmals in sehr hohen Dichten gehalten, was Stress verursacht und die Gefahr von Ansteckungen durch Krankheiten oder Parasiten noch erhöht.

Zudem ist umstritten, ob sie tatsächlich abgestorbene Haut fressen oder ob sie die Haut nur entfernen, weil sie auf Futtersuche sind. Der Nährwert abgestorbener Haut ist fraglich, da sie hauptsächlich aus Keratin besteht, das im Vergleich zu ihrer natürlichen Nahrung relativ unverdaulich ist. Daher kann man davon ausgehen, dass die Fische „knabbern”, weil sie Hunger haben. Das zeigt sich auch im "Fressrausch", also das wilde Getümel an den Beinen der Menschen, was für die Fische ebenfalls sehr stressig ist  (Wildgoose 2012).

Ihre Verwendung im Wellnessbereich ist aus ethischen Gründen abzulehnen. In der Schweiz und in einigen europäischen Ländern gibt es von den Behörden keine Bewilligung für kosmetische Anwendungen wie die Fischpediküre, weil dies eine übermässige Instrumentalisierung der Tiere bzw. eine Verletzung der Würde der Fische darstellt.

In der Schweiz ist die gewerbsmässige Haltung und Nutzung oder Zucht von Kangalfischen nach Artikel 90 Absatz 2 Buchstaben a + b Tierschutzverordnung (TSchV) bewilligungspflichtig.
 

Kangalbarben
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gross

Rötliche Saugbarben sind bodenorientierte Fische.

Kangalbarbe Mund
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gross

Ihr unterständiger, halmondförmiger Mund weist zwei Paar Barteln sowie fleischige Lippen und eine Haftscheibe auf. Mit der Haftscheibe können sie sich an Oberflächen festsaugen.

Literatur

Korkut, N. (2025). A Systematic and Bibliometric Review of Garra rufa (Doctor Fish): Therapeutic Use, Research Landscape, and Knowledge Gaps (1993–2025). Hydrobiological Research, 3, 54-66.
Shimada, Y., Aydin, B., Kon-Nanjo, K., Handayani, K. S., Gultom, V. D. N., Simakov, O., … Kon, T. (2025). Potential of Garra rufa as a novel high-temperature resistant model fish: a review on current and future approaches. Zoological Lett, 11, 3. (abstract)
Çelik, P., Baris, M., & Öğretmen, F. (2023). Exploring Doctor fish (Garra rufa, Heckel, 1846) breeding: A concise review: Culture conditions of Doctor fish (Garra rufa). MARINE REPORTS (MAREP), 2, 145-151.
Zamani-Faradonbe, M., & Keivany, Y. (2021). Biodiversity and distribution of Garra species (Teleostei: Cyprinidae) in Irann. Iranian Journal of Fisheries Sciences, 20, 276-291.
Aydin, B., & Akhanb, S. (2020). An alternative species for aquaculture: doctor fish (Garra rufa).
Shih, T., Khan, S., Shih, S., & Khachemoune, A. (2020). Fish pedicure: review of its current dermatology applications. Cureus, 12.
Demirci, S., . Y. Ozdilek, S., & Simsek, E. (2016). Study on nutrition characteristics of Garra rufa on the river Asi. Fresenius Environmental Bulletin, 25, 5999-6004.
Freyhof, J. (2014). Garra rufa. The IUCN Red List of Threatened Species 2014: e.T19086922A19223063. .
Abedi, M., Shiva, A. H., Mohammadi, H., & Malekpour, R. (2011). Reproductive biology and age determination of Garra rufa Heckel, 1843 (Actinopterygii: Cyprinidae) in central Iran. Turkish Journal of Zoology, 35, 317-323. (abstract)
Jarvis, P. (2011). Biological Synopsis of Garra rufa. In Canadian Manuscript Report of Fisheries and Aquatic Sciences 2946.
Teimori, A., Esmaeili, H. R., & Ansari, T. H. (2011). Micro-structure Consideration of the Adhesive Organ in Doctor Fish, Garra rufa (Teleostei; Cyprinidae) from the Persian Gulf Basin. Turkish Journal of Fisheries and Aquatic Sciences, 11. (abstract)
Patimar, R., Chalanchi, M. G., Chamanara, V., & Naderi, L. (2010). Some life history aspects of Garra rufa (Heckel, 1843) in the Kangir River, Western Iran. Zoology in the Middle East, 51, 57-66. (abstract)
Çinar, K., ŞEnol, N., & Kuru, N. (2008). The Distribution of Taste Buds in Garra rufa. Anatomia, Histologia, Embryologia, 37, 63-66. (abstract)