Die Nacht wird immer heller. Seit Jahrzehnten werden weltweit nachts immer mehr Orte künstlich beleuchtet und der sogenannte Skyglow – die weit sichtbare Lichtglocke – legt sich über die Landschaft und damit auch über die Gewässer. Immer mehr Studien zeigen, dass sich diese Lichtverschmutzung sehr negativ auf viele lichtsensible Pflanzen- und Tierarten auswirkt.
Auch viele Fischarten sind davon betroffen, insbesondere in Siedlungs- und Küstengebieten. Wie diese experimentelle Studie mit Verhaltenstests zeigt, behindert künstliches Nachtlicht bereits bei Fischembryonen und -larven, dass sich die kognitiven Fähigkeiten optimal entwickeln.
Die Lichtverschmutzung, d.h. die Übernutzung von künstlichem Licht in der Nacht (wiss. engl. artificial light at night, ALAN) hat nachweislich negative Auswirkungen auf Tiere, Pflanze und damit verbunden ganze Ökosysteme. Die Dunkelheit als wichtige natürliche Ressource wird immer rarer und muss dringend geschützt werden.
Alle Organismen haben sich im Laufe der Evolution an den Tag-Nacht-Wechsel angepasst und verfügen über eine ausgeprägte physiologische bzw. innere Uhr, die unter anderem regelt, wann man wach sein respektive schlafen soll. Sie ist auf einen 24-Stunden-Rhythmus eingestellt, der massgeblich durch das Licht des natürlichen Tag-Nacht-Wechsels entsteht.
Die meisten Tiere und Pflanzen sind zudem in der Lage, ihre innere Uhr an die sich ändernden Tageslängen (Photoperiode) innerhalb des Jahres anzupassen. Die Steuerung durch die Tageslänge ermöglicht eine Reihe ökologischer Vorteile. Wird diese Uhr nachts durch künstliches Licht gestört, kann dies Organismen in ihrer Physiologie und in ihrem Verhalten schädigen, mitunter so stark, dass es tödliche Folgen hat.
Nachlicht kann das Verhalten verändern
Auf Fische wirkt sich nächtliches Kunstlicht in verschiedener Weise auf das Verhalten aus. Beispielsweise werden Guppys (Poecilia reticulata) risikofreudiger, wenn sie nächtlichem Kunstlicht ausgesetzt sind: Sie verlassen dadurch tagsüber ihr Versteck schneller und halten sich eher im offenen Bereich auf, als wenn nachts das Aquarium nicht beleuchtet ist. Die nächtlichen Bedingungen haben also auch Auswirkungen auf das Verhalten tagsüber (Kurvers 2018).
Bei Larven des Atlantischen Lachses (Salmo salar) störten Strassenbeleuchtungen den Tagesrhythmus und verzögerten die Ausbreitung (Migration), was die Fische in ihrem Überleben gefährden und das Risiko, gefressen zu werden, erhöhen kann (Riley 2013).
Effekte auf Kognition kaum untersucht
Allerdings weiss man noch wenig darüber, wie sich nächtliches Kunstlicht auf die kognitiven Fähigkeiten von Fischen auswirkt, also auf die Fähigkeiten eines Individuums, in seiner Umwelt adäquat zu agieren und zu reagieren. In dieser Studie wurde daher untersucht, wie sich eine nächtliche Beleuchtung auf die Lernfähigkeit von Zebrafischembryos (Danio rerio) auswirkt. Gerade Fischembryos reagieren sehr empfindlich auf Umwelteinwirkungen, da sie noch nicht aktiv ausweichen können und ihr Nervensystem noch im Aufbau ist.
Embryonen im Verhaltenstest
Die Eier bzw. Embryos wurden bis Tag 3 nach der Befruchtung jeweils nächtlichem Kunstlicht ausgesetzt. Die am Tag 4 geschlüpften Larven durchliefen in der Folge einen Verhaltenstest, in dem zuerst während einer Stunde ihre Aktivität und anschliessend die Schreckreaktion auf eine plötzliche Vibration aufgezeichnet wurden.
Im unmittelbar anschliessenden Habituationstest – dem Gewöhnen an eine Situation durch Lernen – waren die Larven schliesslich 25 kurzen Vibrationen ausgesetzt, die jeweils im Abstand von einer Sekunde erfolgten. Die Annahme bei diesem Test ist: Je schneller die Larven sich an die Situation gewöhnen, desto geringer sollte die Reaktion auf die Störung ausfallen. Die Reaktionen der Licht-Gruppe verglichen die Forscher:innen mit denjenigen einer Kontrollgruppe, die nachts im Dunkeln gehalten wurde.
Lernfähigkeit eingeschränkt
Waren die Embryos künstliches Nachtlicht ausgesetzt, führte dies zu einer erhöhten Aktivität bei den Larven. Dies könnte daher rühren, dass durch das Nachlicht der normale zeitliche Rhythmus verloren geht. Bei der Schreckreaktion ergaben sich hingegen keine Unterschiede zwischen den Gruppen.
Im Habituationstest stellte sich bei beiden Gruppen über die Zeit ein Lerneffekt ein, sie gewöhnten sich also an die wiederholte Störung durch die Vibration, allerdings lernten die Nachtlicht-exponierten Larven deutlich weniger schnell. Erst nach ca. einem Drittel der Durchgänge näherten sich die Lernkurven der beiden Gruppen an. Dies zeigte sich auch im Verhalten, wobei die dunkel gehaltenen Larven weniger aktiv und weniger schreckhaft waren, die Licht-Gruppe hingegen die Schreckreaktion länger zeigten, d.h. sie gewöhnten sich weniger schnell an die Vibrationen.
Schlechtere Überlebenschancen
In dieser Studie waren die Fischembryos nur kurz künstlichem Nachtlicht ausgesetzt. Doch die kurze Dauer von drei Tagen reichte bereits, dass sowohl die Fischlarven in ihren kognitiven Fähigkeiten als auch im damit zusammenhängenden Verhalten beeinträchtigt waren. Die dem Licht ausgesetzten Fische benötigen mehr Informationen, um angepasst auf eine ungewohnte Situation reagieren zu können. Kognitive Fähigkeiten wie das Lernen durch Erfahrung sind für viele Verhaltensweisen wichtig, die das Überleben von Fischen sichern, beispielsweise Feindvermeidung oder soziale Interaktionen. Ist dieses Lernen eingeschränkt, sind die Fische weniger überlebensfähig.
Bereits geringe Lichtintensitäten schädlich
Die Lichtverschmutzung der Gewässer nimmt weltweit weiter zu. Es hat sich gezeigt, dass bereits relative tiefe Lichtintensitäten von 1 Lux Veränderungen in der Physiologie und im Verhalten verursachen können. Zwar ist noch unklar, wie stark sich dies auf die Fitness der Fische und auf der Ebene der Gewässerökosysteme auswirkt, da es keine Langzeitstudien gibt (Bassi 2022). Dass sich nächtliches Kunstlicht bereits negativ auf die Entwicklung von Fischembryonen auswirkt, ist allerdings besorgniserregend.