Die Anreicherung der Umgebung mit verschiedenen Reizen (z. B. Futter, Verstecke, Sozialpartner, Gerüche) wird häufig als Methode angewendet, um das Wohlbefinden von Tieren in Gefangenschaft zu erhöhen. Auch bei Labortieren wurde diese Anreicherung getestet, vor allem bei Nagetieren, bei Fischen erst in Ansätzen. Zudem gibt es Hinweise, dass sich eine angereicherte Umgebung positiv auf das Lernen sowie das Gedächtnis auswirkt und die Tiere weniger scheu und gleichzeitig aktiver sind, da sie an häufige Veränderungen im Gehege angepasst sind. In dieser Studie wurde dies nun zum ersten Mal beim dreistachligen Stichling (Gasterosteus aculeatus) untersucht, einer häufig in der Grundlagenforschung benutzten Fischart.
Für die Experimente wurden wilde Stichlinge direkt aus einem Teich eingefangen. Je eine Gruppe von Stichlingen wurde während zehn Monaten in einer angereicherten Laborhaltung bzw. in einer unstrukturierten Standard-Laborhaltung gehalten. Eine dritte Gruppe wurde zwei Wochen vor den Experimenten eingefangen und in strukturierten Aquarien gehalten.
Die Erwartung, dass die Stichlinge aus der angereicherten Umgebung im Lern- und Erinnerungstest am besten abschneiden sowie weniger scheu sind als die anderen beiden Gruppen, erfüllte sich nicht. Die angereicherte Umgebung erhöhte also weder das Lernvermögen noch senkte sie die Angst vor neuen Objekten (Temperaments-Tests auf Kühnheit und Neophobie = Angst vor einem neuen Objekt). Möglicherweise war die Art der Einrichtung für die Stichlinge nicht geeignet, die Hirnleistung für das Lernen zu erhöhen, oder diese Verhalten haben einen stark genetischen Hintergrund. Im Teich, aus dem die Stichlinge entnommen wurde, lebten auch viele Räuber. In einer derartigen Umgebung ist es also wichtig, vorsichtig zu sein, wenn man überleben will.
Interessanterweise erinnerten sich die Fische aus beiden längeren Laborhaltungen besser an die Belohnungsplätze als die Gruppe, die kurz vorher aus dem Freiland entnommen wurde. Wahrscheinlich waren die Stichlinge aus dem Freiland an Umgebungsbedingungen mit wechselnden Futterplätzen angepasst, so dass es für sie keinen Sinn machte, sich bestimmte Orte zu merken. Die Stichlinge aus der Laborhaltung waren möglicherweise bereits an die einfachere Umgebung und somit an die eingeschränkte Wahl an Futterplätzen gewöhnt, so dass sich ein Erinnern für sie lohnte. Es scheint also, dass das Gedächtnis von der Art der Umgebung stärker beeinflusst wird als das Lernverhalten oder das Naturell der Fische.
Die Autoren weisen darauf hin, dass weitere Untersuchungen mit mehr Gruppen gemacht werden sollten, die zudem aus Lebensräumen mit unterschiedlichen Bedingungen (viele bzw. weniger Räuber) stammen. Des Weiteren sollten die Auswirkungen einer angereicherten Umgebung auch bei anderen Arten wie Zebrafischen (Danio rerio) und Guppys (Poecilia reticulata) untersucht werden.