Fische, die in Gefangenschaft gehalten werden, sind diversen Stressfaktoren ausgesetzt. Nicht alle Fischarten reagieren jedoch gleich auf solche Situationen. Sie zeigen artspezifische Verhaltensmuster, ihre Reaktionen sind unterschiedlich stark und die Stresstoleranz variiert.
Das Leben in der Zucht bedeutet Stress
Zuchtfische leben häufig in einer stressreichen Umgebung. Daher wurde bei verschiedenen mediterranen Arten, die als Speisefische gezüchtet werden, die Reaktion auf zwei Stresssituationen (minutenlanges Herumjagen und der Luft aussetzen) untersucht. Die Stresshormone wurden sowohl über das Blut als auch nicht-invasiv über das Hälterungswasser gemessen und analysiert.
Für die Studie wurden 7 Arten ausgewählt: Goldbrasse (Sparus aurata), Zahnbrasse (Dentex dentex), Rotbrasse (Pagellus erythrinus), Spitzbrasse (Diplodus puntazzo), Brauner Zackenbarsch (Epinephelus marginatus), Adlerfisch (Argyrosomus regius) und Europäischer Wolfsbarsch (Dicentrarchus labrax).
Ablauf der Stressreaktion vergleichbar
Es zeigte sich, dass die Stressreaktion bei allen ausser bei den Spitzbrassen nach einem ähnliches Muster ablief: die Cortisol-Konzentration im Blut stieg während der ersten 2 Stunden an und sank anschliessend kontinuierlich. Bei den Spitzbrassen hingegen wurde der höchste Wert erst nach 4 Stunden gemessen.
Physiologische Reaktion der Arten unterschiedlich
Die untersuchten Fischarten reagierten auf dieselbe Stressbehandlung unterschiedlich stark: Die Wolfsbarsche hatten eine 20fach höhere Cortisol-Konzentration im Blutplasma als die Zackenbarsche, Adlerfische und Zahnbrassen und 2 bis 4fach höhere als die Spitzbrassen, Goldbrassen und Rotbrassen. Über die Zeit analysiert, zeigten alle Arten ausser die Zackenbarsche die höchste Cortisol-Konzentration zwischen 30 Minuten und 60 Minuten nach der Stressbehandlung. Bei den Zackenbarschen konnte kein signifikanter Anstieg der Cortisol-Konzentration festgestellt werden. Die Cortisol-Konzentration war bei den Adlerfischen auch nach vier, bei den Spitzbrassen nach acht Stunden nach der Stressbehandlung immer noch hoch.
Auch bezüglich der Ausscheidungsrate von Cortisol ins Wasser unterschieden sich die Arten, wobei sich 2 Muster abzeichneten: Ein Anstieg der Ausscheidungsrate bis 0.5 und 1 Stunde (Wolfsbarsch, Rotbrasse, Adlerfisch, Zackenbarsch), bis 2 Stunden (Goldbrasse) oder bis 4 Stunden (Zahnbrasse) nach der Stressbehandlung und anschliessend ein Absinken auf die Ausgangswerte. Bei den Spitzbrassen erreichte die Rate ihren Höhepunkt nach 1 bis 2 Stunden und blieb bis 8 Stunden nach der Stressbehandlung erhöht. Die Wolfsbarsche zeigten die höchste, die Zackenbarsche die tiefste Ausscheidungsrate.
Unterschiede abhängig von Genetik, Physiologie oder Lebensraum
Der Grund für die Unterschiede zwischen den Arten könnte neben genetischen Unterschieden auch auf Unterschiede im Stoffwechsel oder in den natürlichen Lebensräumen der Arten zurückzuführen sein.
Die Cortisol-Konzentration im Blutplasma und die Cortisol-Ausscheidungsrate ins Wasser waren stark positiv korreliert. Das heisst, für die Analyse von Stress ist die nicht-invasive Methode über das Hälterungswasser auch bei Meerwasserfischen geeignet.
Ein interessantes Ergebnis war zudem, dass die untersuchten Meeresfische weniger Cortisol ins Wasser abgeben als man bis anhin bei Süsswasserfischarten gemessen hat. Es ist also wichtig, Stressuntersuchungen möglichst auf Artniveau durchzuführen.