Die Umweltbedingungen haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Verhalten von Tieren, gerade auch bei der Aufzucht. Aus diversen Studien zu verschiedenen Tierarten weiss man, dass sowohl eine Umgebung mit vielen Reizen als auch die richtige soziale Umwelt für die Entwicklung des Verhaltens sowie die Lernfähigkeiten der Tiere förderlich sind. Bei Fischen sind jedoch die Bedingungen auch bei der Aufzucht oft sehr karg. Dadurch fehlen wichtige Impulse, die Verhalten auslösen können.
Aufzucht von Jungtieren zur Auswilderung
Der Mahseer (Tor putitora) ist ein in Asien beliebter Speisefisch. Seine Heimgewässer sind durch Umweltzerstörung bedroht. Aus diesem Grund wird versucht, Jungfische aufzuziehen und wenn möglich auszuwildern. Vermutet wird, dass eine angereicherte Haltungsumgebung sich auf positiv auf überlebenswichtige Verhaltensweisen von Mahseer-Jungfischen auswirkt.
Unterschiedliche Haltungen im Vergleich
In einem ersten Schritt wurden daher Jungfische unter drei verschiedenen Aufzuchtbedingungen aufgezogen. Eine erste Gruppe wurde in kargen Aquarien ohne Substrat und Strukturen, eine zweite Gruppe in Aquarien mit feinem Kies, Plastikpflanzen und –röhren und eine dritte Gruppe in einem halbnatürlichen Teich aufgezogen. Die Aquarien-Gruppen erhielten Aufzuchtfutter, der Teich-Gruppe stand genügend natürliches Futter zur Verfügung (Phyto- und Zooplankton, Algen, Protozoa).
Für die Verhaltens-Tests wurden die Fische aus den drei Gruppen in Testaquarien verschiedenen neuen Situationen ausgesetzt. Es zeigte sich, dass die Jungfische aus den strukturlosen Aquarien scheuer waren und viel länger warteten, bis sie sich aus einem schützenden Versteck wagten. Die Fische aus den angereicherten Aufzuchtbedingungen (Aquarien oder Teich) waren im Vergleich viel kühner und verliessen das Versteck schon nach kürzerer Zeit. Auch waren sie viel erkundungsfreudiger und interessierten sich mehr für die angebotenen Strukturen. Man weiss, dass Fische oftmals gegenüber neuen Gegenständen zurückhaltend reagieren. Sind sie sich hingegen an eine strukturreiche Umgebung gewohnt, reagieren sie weniger ängstlich.
Wurde den drei Gruppen lebende Beute als Futter angeboten, zeigten sich wieder interessante Unterschiede. Die Jungfische aus den unstrukturierten Aufzuchtaquarien inspizierten das Lebenfutter am vorsichtigsten und brauchten am längsten, bis sie nach der Beute pickten und diese schliesslich frassen. Die Jungfische aus den angereicherten Bedingungen waren deutlich interessierter und verschlangen die lebende Beute schneller. Auch in der Gegenwart eines Feindes zeigten sich diese Gruppen aktiver und kühner, während die Fische aus den strukturlosen Aufzuchtbedingungen kaum aktive Verhaltensreaktionen zeigten und meist bewegungslos verharrten.
Strukturreiche Umgebung fördert ein angepasstes Verhalten
Eine angereicherte Umgebung macht Fische also mutiger. Das rührt daher, dass sie während ihrer Entwicklung in einer solchen Umgebung mit mehr Reizen konfrontiert werden und dadurch später besser in der Lage sind, mit unbekannten Situationen oder Umgebungen umzugehen, ihre Verhaltensreaktionen sind flexibler. Sie sind dadurch auch weniger gestresst und können sich länger der Futtersuche widmen. Erkundungsfreudige Individuen können zudem mehr Informationen über ihre Umgebung sammeln. All dies zusammen wirkt sich schliesslich aufs Überleben aus.
Vor allem bei Fischarten, die für die Wiederansiedlung im Freiland gezüchtet werden, ist es wichtig, dass sie lernen, ihre Umgebung zu erkunden, sich von lebender Beute zu ernähren und mit Feinden umzugehen. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie überleben.
Kommentar Fischwissen
Auch für Labor- oder für Aquarienfische ist es wichtig, dass sie in einer vielfältigen Umgebung aufwachsen. Das hilft ihnen, mit unbekannten und stressigen Situationen besser zurecht zu kommen. Untersuchungen zeigen auch, dass die Hirnentwicklung unter angereicherten Bedingungen besser verläuft. Das ist vor allem auch in der Grundlagenforschung mit Fischen ein wichtiger Aspekt (siehe Mehr Umgebungsstrukturen, mehr Hirn).