Emotionen haben in der Evolution schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Die Stammesgeschichte aller Tierarten ist als ein steter Entwicklungsprozess zu verstehen, während dem sich neue Tierarten aus Vorgängerarten entwickelt haben. Daher kann man davon ausgehen, dass sich Fische auch bezüglich Emotionen nicht grundsätzlich, sondern nur graduell von anderen Wirbeltieren unterscheiden.
Positive Emotionen sind zuwenig untersucht
Bisher hat in der Forschung zum Wohlbefinden negative Emotionen wie Schmerz, Furcht oder Stress dominiert, positive Emotionen hingegen wurden bisher kaum gezielt untersucht. Zunehmend wird in der Verhaltens- und Tierschutzforschung jedoch die Bedeutung von positiven Emotionen und ihrer Wirkung auf das Wohlbefinden der Tiere erkannt, denn Wohlbefinden ist mehr als das Fehlen von negativen emotionalen Zuständen.
Viele der Studien zu Zebrafischen wurden unter den üblichen Bedingungen der Laborhaltung in kleinen, strukturlosen Aquarien gemacht, wenige in natürlicher oder seminatürlicher Umgebung. So gibt es auch kaum Beschreibungen oder Untersuchungen von sozio-positiven* Verhaltensweisen wie die soziale Abstimmung in der Gruppe oder der Zusammenhalt innerhalb der Gruppe, die Hinweise auf positive emotionale Zustände geben könnten.
Gruppenschwimmen als Ausdruck von positivem emotionalen Zustand
Können Tiere frei wählen, wirkt das Auskundschaften der Umgebung normalerweise belohnend. Eine Arbeit von Graham et al. (2018) (deutsche Zusammenfassung in der Bibliothek) hat gezeigt, dass Zebrafische auf zusätzlich verfügbaren Raum mit Erkunden und einem stärkeren Zusammenhalt und Koordination in der Gruppe reagieren. Daher gehen die Autoren dieser Studie davon aus, dass dieses Verhalten mit positiven emotionalen Zuständen verknüpft ist, sofern bedrohliche äussere Einflüsse fehlen oder es keine Anzeichen von Stress gibt.
Das Ziel der Studie war, das Verhalten des „verstärkten Zusammenschwimmens“ bei Zebrafischen (Danio rerio) genau zu beschreiben und herauszufinden, ob sich dieses Verhalten eignet, um es mit einem positiven emotionalen Zustand verknüpfen zu können. Dieses Verhalten wurde in Vorstudien beobachtet und definiert als länger andauernde Perioden, während derer alle Individuen der Gruppe eng zusammenschwimmen und ihr Schwimmen koordinieren. Es ist ein Verhalten, das in Laborstudien bisher kaum beobachtet bzw. beachtet wurde.
Die Wildtyp-Zebrafische wurden in Aquarien beobachtet, die 36mal (110 Liter) grösser als die Standard-Laboraquarien sind. Zudem waren die Aquarien seitlich abgedunkelt und mit Substrat mit Gefälle, künstlichen Pflanzen und Steinen angereichert.
Gruppenschwimmen ist selbstverstärkend
Die Videoanalysen der verschiedenen Gruppen zeigten, dass verglichen mit anderen Zeitperioden die Perioden des „verstärkten Zusammenschwimmens“ gekennzeichnet waren durch einen engen Zusammenhalt in der Gruppe, durch hohe Verhaltenssynchronität (alle Fische zeigen zur gleichen Zeit das gleiche Verhalten) und wenig Feindseligkeiten. Die Zebrafische zeigten auch keine Anzeichen von Stress wie Abtauchen oder unkontrolliertes Schwimmen. Das Verhalten zeigten die Gruppen zu unterschiedlichen Tageszeiten, und es dauerte im Durchschnitt sieben Minuten, mit maximalen Dauern von bis zu einer halben Stunde. Vermutlich wird dieses Verhalten also von der Gruppe selbst ausgelöst und ist für die Gruppenmitglieder attraktiv und selbstbestärkend. Somit zeigt dieses Verhalten auch Ähnlichkeiten mit Verhaltensmustern, die sich bei der sozialen Pflege oder beim sozialen Spiel beobachten lassen.
Die Ursachen und Funktionen dieses Verhalten sind zwar noch unbekannt und müssen weiter untersucht werden. Auch der Einfluss der Aquarieneinrichtung muss weiter untersucht werden. Dennoch sind die Autoren der Meinung, dass das neu beschriebene Verhalten dem weiteren Verständnis des Sozialverhaltens der Zebrafische dient und ein vielversprechendes zukünftiges Forschungsfeld zu den positiven Emotionen bei Fischen ist.
* Unter sozio-positivem Verhalten versteht man Verhaltensweisen, die zur sozialen Annäherung an Artgenossen oder anderen Individuen führen. Sie verbessern den sozialen Zusammenhalt, durch sie werden Beziehungen aufgebaut oder verbessert und sie mindern Aggressionen.