Aquarium - Unterwasserwelt

Wenn sich das Weibchen als Männchen entpuppt

Beim Schololadengurami übernimmt das Weibchen die Brutpflege, so die gängige Meinung. Doch neue Videoaufnahmen vom Verhalten und Gewebeproben zeigen, dass diese Annahme auf einer Verwechslung beruht und revidiert werden muss (Zworykin 2024).

Bei vielen Fischarten ist das Verhalten oft kaum untersucht, unter anderem das Fortpflanzungsverhalten. Einige Arten brüten ihren Nachwuchs im Maul aus, so auch der Schokoladengurami (Sphaerichthys osphromenoides). Bisher hat man angenommen, dass bei dieser Art die Weibchen die Brutpflege übernehmen.

Da dies unüblich ist für diese Fischfamilie (Labyrinthfische), haben die Autoren dieser Studie das Fortpflanzungsverhalten genauer unter die Lupe genommen und konnten zeigen, dass diese Annahme falsch ist. Sie vermuten, dass bisher die brütenden Männchen fälschlicherweise als Weibchen identifiziert wurden.

Langjährige Meinung auf dem Prüfstand 

Erfahrungswissen aus der Praxis kann sehr hilfreich sein, um Kenntnisse über das Verhalten von Tieren zu erweitern. Damit es allerdings eine allgemeine Gültigkeit erhält, muss es zusätzlich systematisch untersucht werden. Wie diese Studie zum Fortpflanzungsverhalten des Schokoladenguramis zeigt, können sich Meinungen, die sich über die Jahre gebildet und gehalten haben, bei genauerer Überprüfung als falsch erweisen.

Der Schokoladengurami (Sphaerichthys osphromenoides) gehört wie der Siamesische Kampffisch zur Ordnung der Labyrinthfische und zur artenreichen Familie der Osphronemidae. Fast alle Arten dieser Familie betreiben Brutpflege, wobei diese meist die Männchen übernehmen. 

Der Schokoladengurami galt bisher als Ausnahme, da bei dieser Art das Weibchen die Brut pflegen soll. Die Autoren dieser Studie haben nun diese bisher vorherrschende Meinung mit Verhaltensbeobachtungen und Gewebeproben (histologische Untersuchung) überprüft.

Nachweise des Geschlechts durch Verhaltensbeobachtungen und Histologie

Das Laichverhalten von vier Schokoladenguramis und 13 ihrer Nachkommen wurde zuerst im Aquarium beobachtet und deren Verhalten anschliessend auf Video festgehalten. Zudem wurden die Geschlechtsdrüsen (Gonaden) der Fische histologisch untersucht. 

Die Fische zeigten das Brutverhalten, wie es in Literatur beschrieben ist. Die Beobachtungen ergaben indes, dass immer dasjenige Individuum die Eier mit dem Maul aufnahm, das sie befruchtet hatte, und nie dasjenige, das sie abgegeben hatte. Es konnte auch kein Austausch der Eier beobachtet werden. 

Anhand der histologischen Daten aus den Gonaden – Hoden bzw. Eierstöcke – konnten sie zudem den beobachteten Tieren das jeweilige Geschlecht zuweisen und damit bestätigen, dass das brütende Individuum stets das Männchen war.

Dies stand im Widerspruch zur bisherigen Annahme, dass beim Schokoladengurami das Weibchen die Brutpflege übernimmt. Die Autoren vermuten daher, dass bisher das Männchen fälschlicherweise als Weibchen angesehen worden war. Denn gemäss Berichten von Hobbyzüchtern brütete jeweils das weniger stark gefärbte Individuum die Eier aus. Dem allgemeinen Meinungstrend folgend, die bunter gefärbten Individuen seien jeweils die Männchen, ging man automatisch davon aus, dass in diesem Fall das pflegende Individuum das Weibchen sein musste.

Äusserliche Merkmale lassen keine definitive Bestimmung des Geschlechts zu

Beim Schokoladengurami unterscheidet man die Geschlechter üblicherweise anhand der Färbung, der Flossenform sowie der Köpergrösse und -proportionen. Da diese äusserlichen Merkmale bei beiden Geschlechtern allerdings ziemlich variabel sind, lassen sich Männchen und Weibchen damit kaum definitiv identifizieren. Zudem sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, dem sogenannten Geschlechterdimorphismus, bei dieser Art nicht sehr ausgeprägt, im Gegensatz zu den beiden anderen Arten dieser Familie S. vaillanti and S. acrostoma, die einen ausgeprägten Geschlechterdimorphismus aufweisen.

Anhand der Beobachtungen und der Daten kommen die Autoren zum Schluss, dass auch bei Schokoladenguramis das Männchen die Brutpflege betreibt und diese Art damit keine Ausnahme in dieser Familie darstellt.

Das Video ist eine schöne Aufnahme des Laichverhaltens des Schokoladenguramis. Ab Minute 1:04 gibt das Weibchen die Eier ab, ab Minute 5:40 beginnt das Männchen die Eier ins Maul aufzunehmen. Anhand des Streifenmusters sind die zwei Fische unterscheidbar und somit ist erkennbar, dass das Individuum, das die Eier aufnimmt, das Männchen sein muss. Denn es besitzt ein anderes Streifenmuster als dasjenige Individuum, das die Eier abgegeben, sprich das Weibchen.

Literatur

Zworykin, D., Müller, J., Grundmeijer, H., & Pavlov, E. (2024). Paternal mouthbrooding in the chocolate gourami Sphaerichthys osphromenoides (Osphronemidae). Environmental Biology Of Fishes, 107, 381–389. (abstract)