Aquarium - Unterwasserwelt

Gemeinsame Jagd auf Eier

Falsche Putzerfische sind ausgebuffte Kerlchen. Sie haben Strategien entwickelt, wie sie wehrhafte Riffbarsche austricksen und deren Laich räubern können (Sato 2024).

Das Jagen in der Gruppe ist ein klassisches Beispiel für kooperatives Verhalten. Die komplexeste Form dieses Verhalten zeigt sich, wenn die Mitglieder innerhalb der Gruppe verschiedene, sich ergänzende Aufgaben übernehmen, um die Beute zu erwischen.

Hier beschreiben die Autor:innen ein solches Zusammenarbeiten beim Falschen Putzerfisch Aspidontus taeniatus. Den Namen trägt er, weil er dem Gemeinen Putzerlippfisch (Labroides dimidiatus) in Farbe und Form zum Verwechseln ähnlich sieht*. Allerdings gehört ersterer zur Familie der Schleimfische (Blenniidae), während letzter ein Vertreter der Lippfische (Labridae) ist und anderen Organismen an sogenannten Putzerstationen Parasiten von der Haut entfernt. Der Imitator hingegen hat anderes im Sinn: Getarnt als dienstleistender Putzer, beisst er den «Kunden» jeweils ein Stück Haut heraus. 

Eierdiebe am Werk

In neuerer Zeit hat man allerdings beobachtet, dass vorwiegend jüngere Individuen auf diese Taktik setzen und erwachsene Tiere sich hingegen vor allem vom Laich der Riffbarsche (Pomacentridae) ernähren, die sie in gemeinsamer Jagd mit Artgenossen erbeuten (Fujisawa et al. 2018; Sato et al. 2022). Zwar verteidigen die Riffbarsche ihren Laich vehement, dennoch gelingt es den Dieben, sie auszutricksen und sich so die nahrhafte Nahrungsquelle zu erschliessen.

Zum ersten Mal wurde nun mit dieser Studie beschrieben, wie die Putzerfische bei der Eierjagd die Rollen aufteilen. Diese Beobachtungen wurden in Okinawa (Südjapan) im Indopazifik gemacht. Zwischen April und Oktober gibt es dort besonders viele Gelege der Riffbarsche. Dabei haben die Autoren insgesamt 131 mal beobachtet, wie die Putzerfische Gelege von 13 verschiedenen Riffbarscharten sowie einer Drückerfischart plünderten. In rund 80% der Angriffe waren die Eierdiebe erfolgreich.

Mit Rollenteilung zum Ziel

Die in dieser Studie beobachteten Putzerfische setzten zwei Strategien ein: Die Lockvogel- und die Versteckspiel-Strategie. Bei der ersten Strategie übernahm jeweils ein Fisch der Gruppe die Rolle des Lockvogels. Er schwamm auf den brütenden Riffbarsch zu und sobald dieser angriff, wechselte er die Richtung und schwamm vom Nest weg. Ein anderer Putzerfisch beobachtete die Szene und sobald der Riffbarsch abgelenkt war, startete er sofort, um das ungeschützte Gelege zu plündern. Sobald der Riffbarsch dies bemerkte und den Plünderer angriff, kehrte der Lockvogel um und begann ebenfalls, das Gelege zu plündern. 

Video 1: Im Video sieht man ein Beispiel für die Lockvogelstrategie, bei dem die Putzerfische das Nest des Riffbarsches Stegastes obreptus plündern.

Bei der zweiten Strategie stahlen sich die Putzerfische ans Gelege heran. Ein Fisch positionierte sich so, dass er für den Riffbarsch sichtbar war und beobachtete diesen, während die anderen sich unmittelbar hinter dem Beobachter in einer Spalte versteckten. Sobald der Riffbarsch den Beobachter entdeckte, griff er an und verfolgte diesen, worauf sich die Verstecker aufs Gelege stürzten. Die Putzerfische wiederholten diese Angriffe, bis ihre Mägen sichtlich mit Eiern gefüllt waren. Dabei teilten sie die Rollen auf, mal war der eine der Verfolgte, mal der Plünderer. Das Ganze dauerte wenige Sekunden. Zum Schluss blieben den Riffbarschen trotz des Laichdiebstahls jeweils noch Eier im Nest für die Aufzucht übrig.

Video 2: Im Video sieht man ein Beispiel für die Strategie des Versteckens, bei dem die Putzerfische das Nest des Riffbarsches Dascyllus trimaculatus ausräubern.

Die Autoren vermuten, dass die gewählte Strategie von verschiedenen Faktoren abhängt, wie beispielsweise der Aggressivität der Riffbarsche, ob beide Elternteile verteidigen oder wie das Nest angelegt ist.

Gemeinsam erfolgreicher

Kooperatives Verhalten wird in der Biologie üblicherweise unter anderem mit Verwandtenselektion, Gegenseitigkeit (Reziprozität) oder Mutualismus erklärt. Falsche Putzerfische sind allerdings kaum verwandt miteinander, da sie sich im Jungenstadium weit im Freiwasser verbreiten und ihre Rückkehr ins Riff stark vom Wind und der Strömung beeinflusst werden.

Reziprozität wiederum bedingt hohe kognitive Fähigkeiten, da die Tiere Kosten einschätzen und kooperierende von nicht kooperierenden Tieren unterscheiden können müssten, Fähigkeiten, die bis anhin nur dem Menschen zugebilligt wurden. Die Autoren der Studie schlagen vor, dass es sich beim Falschen Putzerfisch um Mutualismus handelt. Bei diesem Prinzip profitieren die beteiligten Tiere sofort von der Zusammenarbeit, in diesem Fall von der gemeinsamen Eierjagd, bei der die Putzerfische zudem in der Gruppe erfolgreicher sind, als wenn sie alleine auf Nahrungssuche gehen müssten. 

 

* Das Fachwort dafür ist Mimikry. Die Mimikry des Falschen Putzerfischs gilt als eines der raffiniertesten Beispiele einer Mimikry unter den Wirbeltieren (Sato et al. 2022)

Falscher Putzerfisch Aspidontus taeniatus

Der Falsche Putzerfisch (Aspidontus taeniatus) sieht dem Gemeinen Putzerlippfisch (Labroides dimidiatus) in Farbe und Form zum Verwechseln ähnlich.

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Weitere Beispiele für Kooperation

Literatur

Sato, H., Sakai, Y., & Kuwamura, T. (2024). Temporary division of roles in group hunting for fish eggs by a coral reef fish. Journal Of Ethology, 42, 137-143. (abstract)
Sato, H., Sakai, Y., & Kuwamura, T. (2022). Effects of group behavior in the predatory raid on damselfish nests by the false cleanerfish Aspidontus taeniatus. Ethology, 128, 77-84.
Fujisawa, M., Sakai, Y., & Kuwamura, T. (2018). Aggressive mimicry of the cleaner wrasse by Aspidontus taeniatus functions mainly for small blennies. Ethology, 124, 432-439. (abstract)