Aquarium - Unterwasserwelt

Auf Tuchfühlung mit Kois

Eine direkte Begegnung mit Tieren kann einen bleibenden Eindruck bei uns Menschen hinterlassen. Wir sehen das Tier dann möglicherweise in einem anderen Licht. Daher gingen die Autorinnen dieser Studie der Frage nach, ob auch Fische in Kontakt mit Menschen treten wollen. Die untersuchten Kois wollten (Fife-Cook & Franks 2021).

Kois (Cyprinus rubrofuscus) sind sie weltweit beliebte Aquarien- und Teichfische. Sie gehören zu den Karpfenfischen und stammen ursprünglich aus Ostasien, wo sie seit Mitte des 20. Jahrhunderts intensiver gezüchtet werden. Durch die gezielte Zucht sind mittlerweile die unterschiedlichsten Farbmuster entstanden.

Zwar gibt es einige sehr wertvolle Kois, die teuer gehandelt werden, dennoch haben Fische generell meist nicht den gleichen Stellenwert wie Säugetiere oder Vögel. Es ist jedoch bekannt, dass sich die Haltung von Menschen gegenüber Tieren durch eine positive Begegnung beeinflussen lässt. Daher wollten die Wissenschaftlerinnen herausfinden, ob Kois mit Menschen interagieren wollen und ob positive Interaktionen zwischen Mensch und Fisch überhaupt möglich sind.

Die Mensch-Tier-Beziehung ist ein sehr breites Forschungsfeld, zu dem aus verschiedenen Forschungsfeldern beigetragen wird. Menschen und nichtmenschliche Tiere treten in sehr unterschiedlichen Situationen in Kontakt miteinander. Daraus können vielfältige Beziehungen entstehen, bis zu sehr engen Bindungen.

Die Forschung zur Mensch-Tier-Beziehung wurde zu Beginn vor allem aus der menschlichen Perspektive betrachtet. Untersucht wurde primär, wie sich Heimtiere auf die menschliche Gesundheit oder wie sich schlechte Haltungsbedingungen auf die Produktion in der Landwirtschaft auswirken.

Erst in jüngerer Zeitlegen legen solche Studien den Fokus vermehrt auf das Wohlbefinden der Tiere und den gegenseitigen Nutzen aus diesen Beziehungen. Denn der Kontakt mit Menschen kann das Wohlbefinden von Tieren sowohl positiv als auch negativ beeinflussen.

Daher schlagen verschiedene Verhaltensbiolog:innen vor, dass neben den Haltungsbedingungen und auch die Mensch-Tier-Interaktionen berücksichtigt werden müssen, wenn man das Wohlbefinden von Tieren einschätzen will. Allerdings ist dies bisher vor allem bei Säugetieren und Vögeln untersucht worden, andere Tierklassen und somit auch Fische sind in diesem Forschungsbereich wenig untersucht.

Kurzzusammenfassung

In der Studie von Fife-Cook & Franks (2021) wurde nun zum ersten Mal systematisch untersucht, ob Fische eine vertrauensvolle Beziehung zu Menschen aufbauen können und ob sie freiwillig mit Menschen interagieren.

Dazu wurden sieben Kois – zwei Weibchen und fünf Männchen – in einem ersten Schritt an die Anwesenheit einer Forscherin gewöhnt, indem diese jeweils ihre Arme ins Wasser absenkte. Sobald die Kois sie berührten, erwiderte sie die Berührung sanft. Zudem wurden die Kois vor der Datenaufnahme von Hand gefüttert, um den Kontakt mit einem Menschen als positives Erlebnis zu gestalten.

In der anschliessenden Testphase wurde per Video erfasst, wo sich die Kois im Becken jeweils aufhielten und wie sie mit der Forscherin interagierten. Die Analyse zeigte, dass alle sieben Kois sich häufiger als erwartet in der Nähe der Forscherin aufhielten und den physischen Kontakt suchten, auch unabhängig von der Fütterung. Allerdings gab es individuelle Unterschiede: die einen Kois interagierten stärker als andere. Daraus lässt sich ableiten, dass Kois tatsächlich motiviert sind, eine individuelle Beziehung mit einem Menschen einzugehen.

Die Autorinnen der Studie weisen darauf hin, dass solche quantitativen Daten wichtig sind, um die persönlichen Erfahrungsberichte von Leuten über derartige Begegnungen zu stützen und daraus allgemein gültige Fakten abzuleiten. Zudem können Studienberichte über Mensch-Fisch-Beziehungen dazu beitragen, das Verhältnis der Allgemeinheit zum Fisch positiv zu verändern und das Verständnis für das Wesen der Fische als empfindungsfähige und intelligente Tiere zu fördern.

In einem ersten Schritt gewöhnten die Forscherinnen sieben Kois daran, dass sich jemand neben das Becken setzt und seine Arme bis zu den Ellenbogen ins Wasser senkt. Das Becken war gross genug, dass die Fische sich zurückziehen konnten. Nahmen die Fische von sich aus Kontakt auf, indem sie die Arme mit dem Maul berührten oder sich daran rieben, erwiderte die Forscherin den Kontakt, indem sie den Kopf streichelte oder die Finger bewegte.

Gefüttert wurden die Kois jeweils von Hand. Damit wollten sie erreichen, dass die Kois die Anwesenheit eines Menschen mit einem positiven Erlebnis verbinden.

Während der anschliessenden Testphase wurde das Verhalten vor und eine halbe Stunde nach der Fütterung mit Video aufgezeichnet. Dazu wurde das Becken in drei Zonen aufgeteilt (in Reichweite des Menschen, Peripherie und äusserer Bereich). Erfasst wurde die Dauer, während der die Kois sich jeweils in einem der Bereiche aufhielten, sowie das individuelle Verhalten Da die Kois, zwei Weibchen und fünf Männchen, unterschiedliche Farbmuster aufwiesen, waren sie für die Forscherinnen gut unterscheidbar.

Eine positive Interaktion wäre gegeben, wenn sich die Kois freiwillig dem Menschen annähern und mit ihm in Kontakt treten. Haben die Fische hingegen Angst, sollten sie ihn meiden. Ist er ihnen egal, sollten sich kein Muster beim Schwimmen ergeben.

Individuelle Unterschiede im Verhalten der Kois könnten eine treibende Kraft sein, die die Mensch-Fisch-Beziehung beeinflusst. Gibt es diese Unterschiede, sollten sich stabile individuelle Verhaltensmuster ergeben. Gibt es diese hingegen nicht, müsste sich die Gruppe als gesamte ähnlich verhalten, was bedeuten würde, dass externe Umweltreize (generelle Angst oder Neugier) das Verhalten der Fische beeinflussen.

Kois suchen Kontakt

Es zeigte sich, dass die Kois sich häufiger als erwartet in der Nähe des ihnen vertrauten Menschen aufhielten. Auch nach der Fütterung waren die Kois noch immer interessiert am physischen Kontakt. Die Forscherinnen nahmen dies als Hinweis, dass die Kois unabhängig vom Futtersuchen motiviert waren, die Nähe des Menschen zu suchen.

Zudem zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den sieben Individuen. Die Kois interagierten unterschiedlich stark mit der Forscherin und hielten sich unterschiedlich lange in deren Nähe auf. Solche individuellen Unterschiede sind wichtig zu erkennen, damit das individuelle Wohlbefinden der Tiere gefördert werden kann.

Das Verhalten der Kois zeigt, dass Fische durchaus eine vertrauensvolle Beziehung zum Menschen aufbauen können. Das könnte bei stressigen Situationen hilfreich sein, beispielsweise wenn man Fische einfangen muss.

Weitere Interpretationen der Resultate

Der physische Kontakt könnte für die Kois auch eine angenehmes Sinneserlebnis gewesen sein. Dass Fische solche Empfindungen haben, wurde bei Putzerlippfischen (Labroides dimidiatus) untersucht. Diese Fische entfernen anderen Fischen Ektoparasiten. Um sie bei Konflikten zu besänftigen, streicheln sie mit ihren Brust- und Bauchflossen über ihre Rücken (Bshary & Wurth 2001).

Auch der Gestreifte Borstenzahn-Doktorfische (Ctenochaetus striatus) ist ein regelmässiger Kunde des Putzerfisches. In einer Studie wurde die Situation mit einem Modell des Putzerfisches simuliert, das sich hin und her bewegte. Die Doktorfische liessen sich auch vom Model massieren, worauf sie in der Folge tatsächlich einen tieferen Spiegel des Stresshormons Cortisol aufwiesen (Soares 2011). Der physische Kontakt wirkt also stressmildernd und somit gesundheitsfördernd, genau wie beim Menschen.

Physischer Kontakt als geistige Anregung

Interkationen mit Menschen können für Tiere auch Abwechslung bringen, insbesondere wenn sie in eher kargen Bedingungen gehalten werden. Es könnte also sein, dass der physische Kontakt für die Kois unterhaltend und auch kognitiv stimulierend war.

Kommentar Fischwissen

  • In der Studie fehlt leider die Kontrolle ohne Anwesenheit eines Menschen am Becken. Diese hätte es gebraucht, um sauber nachzuweisen, ob die Fische tatsächlich gezielt den Kontakt gesucht haben und sich das beobachtete Aufenthaltsmuster in den verschiedenen Bereichen von einem zufälligen Nutzungsmuster des Beckens unterscheidet.
  • Zudem wäre es während der Testphase von Vorteil gewesen, wenn die Fische mit einem Fütterungsautomaten gefüttert worden wären. Damit hätte der Effekt, dass die Fische den Menschen mit Futter in Verbindung bringen, abgeschwächt werden können.

Literatur

Fife-Cook, I., & Franks, B. (2021). Koi (Cyprinus rubrofuscus) Seek Out Tactile Interaction with Humans: General Patterns and Individual Differences. Animals (Basel), 11. (abstract)
Soares, M. C., Oliveira, R. F., Ros, A. F. H., Grutter, A. S., & Bshary, R. (2011). Tactile stimulation lowers stress in fish. Nature Communications, 2, 5. (abstract)
Bshary, R., & Wurth, M. (2001). Cleaner fish Labroides dimidiatus manipulate client reef fish by providing tactile stimulation. Proceedings Of The Royal Society B-Biological Sciences, 268, 1495-1501.