Aquarium - Unterwasserwelt

Stichlinge haben eine Vorliebe für grosse Röhren

Lauert überall der Feind, ist es gut, ein sicheres Versteck zu haben. Der Dreistachlige Stichling steht bei vielen Arten auf dem Speisezettel und braucht deshalb zum Überleben solche Fluchtorte. Doch Versteck ist nicht gleich Versteck (Jones 2024). 
 

Verstecke und Unterschlüpfe spielen im Leben von Fischen eine überlebenswichtige Rolle. Die gewähren Schutz vor Feinden und feindseligen Artgenossen oder vor unwirtlichen Umwelteinflüssen, verletzte oder gestresste Tiere können sich hierhin zurückziehen, ausruhen und erholen.

Weil solche Strukturen eine begehrte Ressource sind, können sie Quelle von Aggressionen sein. Andererseits können sie aber auch als Sichtbarrieren wirken und so aggressives Verhalten abmildern, was gerade in den beengten Verhältnissen einer Aquarienhaltung wichtig ist.

Viele Verstecke für viele Fische

In einer experimentellen Studie mit einer marinen Form des Dreistachlige Stichlings (Gasterosteus aculeatus) zur Feindvermeidung zeigte sich, dass sich die Stichlinge in der Anwesenheit eines Flussbarsches (Perca fluviatilis) vermehrt im Aquarienereich aufhielten, die mit künstlichem Seegras ausgestattet war. Im Lebensraum in der Baltischen See, wo diese Stichlinge leben, wachsen Seegraswiesen und Seetang. Hier suchen die Stichlinge nach Nahrung wie Kleinstkrebse, Insektenlarven, kleinere Fische oder Fischeier und finden ihrerseits guten Schutz vor Fressfeinden (Ajemian 2015).

Studien zur Nutzung von Verstecken kommen indessen immer wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen. Viele Faktoren können Fische darin beeinflussen, wie und welche Strukturen sie nutzen, unter anderem auch die Grösse der Unterschlupfe. Man kann davon ausgehen, dass jede Fischart ihre Vorlieben und Bedürfnisse hat. Dies widerspiegelte sich auch in den Resultaten einer Freilandstudie in einem Riff, in der viele unterschiedliche Unterschlüpfe und Verstecke den Artenreichtum ansteigen liess (Hall 2021).

Welche Röhre hätten Stichlinge gern?

Daher haben die Wissenschaftler:innen in dieser Studie untersucht, ob Dreistachlige Stichlinge eine Vorliebe für gewissen Grössen bei Unterschlupfen haben. Dazu boten sie den Stichlingen drei verschieden grosse PVC-Röhren zur Auswahl an. Zwei der Röhren hatten einen Durchmesser von 2.5cm und waren 5 bzw. 10cm lang, die dritte Röhre war 10cm lang mit einem Durchmesser von 5cm. Die im Experiment verwendeten Stichlingen wiesen eine Körperlänge zwischen 4.5 und 5cm auf.

Die Stichlinge wählten die grösste Röhre bedeutend häufiger, um darin Schutz zu suchen, als die beiden anderen Röhren. Bei einer Anreicherung des Aquariums mit Verstecken sollte man also berücksichtigen, wie die Unterschlupfe dimensioniert sind. Die Stichlinge hielten sich zwar jeweils nicht länger in der grossen Röhre auf als in den kleineren, was zeigt, dass ein Unterschlupf per se nützlich ist. Allerdings weisen die Autor:innen darauf hin, dass nur wenige Individuen in die kleineren Röhren hineinschwammen und daher die Aussagekraft bzgl. Aufenthaltsdauer begrenzt ist. Zudem betonen sie, dass es auch individuelle Unterschiede gab zwischen den einzelnen Fischen: Die einen Fische schwammen wiederholt in die Röhre, während andere dies nicht taten.

Die Stichlinge inspizierten alle Röhrentypen gleich häufig und zögerten bei keinem Röhrentyp länger, um hinein zu schwimmen. Das deutet darauf hin, dass die Stichlinge nicht einfach durch grössere Röhre angezogen werden. 

Warum die Stichlinge die grössere Röhre bevorzugten, kann mit dieser Studie nicht beantwortet werden. Möglich wäre, dass die Stichlinge sich in den kleinen Röhren weniger gut bewegen konnten. Auch die erlernte Reaktion auf Fressfeinde könnte eine Rolle spielen. Reiher oder Eisvögel greifen üblicherweise von oben an. Eine Röhre mit einer grösseren Fläche bietet hier mehr Schutz. Die Autor:innen geben auch zu bedenken, dass manche Fische sensibel auf Licht reagieren und die Stichlinge Schutz vor dem Licht gesucht haben könnten, denn die Beleuchtung kann in der Haltung ein Stressfaktor sein.

Röhren als wertvolles Enrichment in Laborhaltungen

Der Stichling ist insbesondere in der Evolutionsbiologie eine häufig in Experimenten eingesetzte Fischart. Seine artgerechte Haltung im Labor hat bisher weniger Aufmerksamkeit erhalten als zum Beispiel die Haltung von Zebrafischen (Danio rerio). Diese Studie liefert erste wertvolle Hinweise, wie die meist karge Haltung von Stichlingen mit Verstecken angereichert werden kann und diese die richtige Grösse haben sollten. Sie zeigt auch, dass solche Untersuchungen auf Artniveau durchgeführt werden müssen, da die verschiedenen Arten unterschiedliche Bedürfnisse haben.

Literatur

Jones, N. A. R., Gardella, G., & Webster, M. M. (2024). Three-spined sticklebacks show dimension-specific preferences for shelter. Animal Behaviour, 208, 41-49. (abstract)
Hall, A. E., & Kingsford, M. J. (2021). Habitat type and complexity drive fish assemblages in a tropical seascape. Journal Of Fish Biology, 99, 1364-1379. (abstract)
Ajemian, M. J., Sohel, S., & Mattila, J. (2015). Effects of turbidity and habitat complexity on antipredator behavior of three-spined sticklebacks (Gasterosteus aculeatus) Antipredator behavior in sticklebacks. Environmental Biology Of Fishes, 98, 45-55.