Aquarium - Unterwasserwelt

Aggressionsverhalten von Kampffischen verstehen

Häufig wird die Haltung von Tieren den Vorstellungen der Halterinnen und Halter angepasst. Dadurch entstehen Fehlinterpretationen des Verhaltens. Aggressionsverhalten ist ein natürliches Verhalten, das beispielsweise im Zusammenhang mit der Fortpflanzung auftritt. Es kann aber durch eine falsche Haltung abnorme Formen annehmen. Kampffische werden dafür mit Einzelhaltung bestraft. Das muss nicht sein (Bronstein,1981).

Siamesische Kampffische werden als aggressive und kämpferische Tiere beschrieben, wobei auch auf individuelle Unterschiede hingewiesen wird. Möglicherweise ist diese Beschreibung aber auch eine Folge davon, dass der Fokus sowohl in der Forschung als aus der Aquaristik meist einseitig auf ihr Kampfverhalten und ihre Aggressivität gelegt wird. Wildtiere sind normalerweise eher zurückhaltend mit Kämpfen, da das Risiko von Verletzungen, die gar tödliche Folgen haben können, hoch ist.

Daher wurde dieser Arbeit die Annahme zugrunde gelegt, dass auch domestizierte oder gezüchtete Fische wie viele Wildtiere nur in ausgewählten Situationen kämpfen und dass diese Zurückhaltung ein Überbleibsel einer angepassten Fortpflanzungsstrategie ist. In verschiedenen Schritten und Situationen wurde die Reaktion der Männchen auf Rivalen untersucht.

Direkte und indirekte Begegnungen lösen Aggressionsverhalten aus

In einem ersten Experiment wurden die Rivalen in einem unterteilten Aquarium gehalten, so dass sie direkten Zugang zueinander hatten, aber durch eine Öffnung in die andere Hälfte des Aquariums fliehen konnten. In einem zweiten Experiment waren sie räumlich in nebeneinander stehenden Aquarien voneinander getrennt und hatten nur Sichtkontakt.

In beiden Anordnungen wurde Aggressionsverhalten ausgelöst, im ersten Attacken mit Kreisen (dabei umkreisen sich die Rivalen, den Kopf jeweils auf Höhe des Schwanzes des andern) Jagen, Beissen, aggressives Präsentierverhalten und Aufstellen der Kiemen, im zweiten aggressives Präsentierverhalten und Aufstellen der Kiemen. Dabei gab es individuelle Unterschiede, mit Individuen, die mehr Kämpfe gewannen bzw. länger im Bereich der angrenzenden Scheiben blieben.

Nestbau auf Distanz

Aggressives Verhalten hat häufig mit der Nutzung von Raum zu tun. Behauptet ein Individuum den Raum mit einer gewissen Aggressivität für sich, kann das den andern in die Flucht schlagen. Gewisse Räume können auch vehementer verteidigt werden, wie zum Beispiel Reviere oder Nistplätze.

Der nächste Schritt in dieser Untersuchung war, dem Zusammenhang zwischen kämpferischem Verhalten und Revierverteidigung auf den Grund zu gehen. Männliche Kampffische bauen Nester, die sie verteidigen. Der Autor der Studie traf folgende Annahme: Wenn sich Individuen an einem Ort etablieren und ihn verteidigen, führt das kämpferische Verhalten schliesslich zu stabilen sozialen Gesellschaften. Er verglich daher das Verhalten der Kampffischmännchen, die ein Nest gebaut hatten, in Situationen mit und ohne Nachbar im angrenzenden Aquarium. Die Männchen reagierten auf die Anwesenheit eines Rivalen in dreierlei Hinsicht: sie waren weniger aktiv, hielten sich länger nahe des Nests auf und steigerten ihre Nestbauaktivität. In einem weiteren Experiment zeigte sich, dass die Kampffischmännchen es bevorzugten, ihr Nest in einer gewissen Distanz von anderen Männchen anzulegen.

Aggressives Verhalten ist Kommunikation

Das Kämpfen bei Kampffischen beginnt meist damit, dass sich die Rivalen umkreisen. Entweder flüchtet ein Individuum in der Folge oder ein intensiverer Kampf beginnt. In dieser Arbeit wurde beides beobachtet. Vermutlich wird das Kampfverhalten der Kampffische über die visuelle Kommunikation reguliert. Denn die Beobachtungen zeigen, dass Sichtbarrieren die aggressiven Auseinandersetzungen merklich reduzieren (siehe auch Gruppenhaltung von Siamesischen Kampffischen, Goldstein 1975). Stellt man den Männchen Ausweichmöglichkeiten und Verstecke zur Verfügung, haben sie die Möglichkeit, einem Kampf auszuweichen oder ihn zu beenden. Können sie nicht ausweichen, stimulieren sich die Fische gegenseitig und es kommt zum intensiven Kampf. Je kleiner das Aquarium, desto geringer auch die Ausweichmöglichkeiten. Daher braucht es eine gewisse Aquariengrösse für eine Gruppenhaltung von Kampffischen.

Die individuellen Unterschiede führen auch dazu, dass sich eine Rangordnung etablieren kann, mit dem kampffreudigeren Männchen als dominantem Tier. Für den Bau und den Unterhalt der Schaumnester scheinen die Männchen eine minimale Distanz voneinander zu brauchen, die sich auch auf die Intensität der Auseinandersetzungen auswirkt. Ist die Distanz (mind. 12cm*) gross genug, bleiben die Begegnungen auf einem nicht schädlichen Niveau.

Dem intelligenten Kampffisch gerecht werden

Kampffische zeigen beachtliche kognitive Fähigkeiten. Sie beobachten ihre Umgebung, reagieren auf sie, erinnern sich an Auseinandersetzungen und haben ein räumliches Gedächtnis. Mit einer Einzelhaltung wird man dieser Art nicht gerecht. Diese Arbeit liefert Argumente für eine Gruppenhaltung von Kampffischen. Voraussetzung für ein Gelingen ist, dass die Kampffische ihre Nester bauen, Distanz zum Nachbarn halten und ihnen bei Begegnungen ausweichen können. Das bedingt eine geeignete Grösse und Einrichtung (Bepflanzung, Verstecke, Ausweichmöglichkeiten) des Aquariums.

Literatur

Bronstein, P. M. (1981). Commitments to aggression and nest sites in male Betta splendes. Journal Of Comparative And Physiological Psychology, 95, 436-449. (abstract)