Aquarium - Unterwasserwelt

Wellness für Fische

Massagen sind wohltuend und nachweislich gut für die Gesundheit. In der Aquakultur sind Nilbuntbarsche (Oreochromis niloticus) häufig aggressiv untereinander. Gitterstäbe mit weichen Borsten könnten helfen, das aggressive Verhalten zu reduzieren und das Sozialgefüge zu stabilisieren (Gauy et al. 2022).

Wir Menschen geniessen Massagen, weil sie entspannen. Auch viele Tiere lassen sich gerne massieren, allen voran die Säugetiere. Sie reagieren positiv auf Berührungen des Körpers durch andere Tiere oder durch Objekte, die sogenannte taktile Stimulation. In der Landwirtschaft sind daher Bürsten für Kühe, Schweine oder Schafe längst im Einsatz. Sie erhöhen das psychische Wohlbefinden und dienen gleichzeitig der Gesundheit, weil sie Stress abbauen, Angst reduzieren, das Glückshormon Serotonin stimulieren und das Immunsystem positiv beeinflussen.

Bei Fischen wurde in Studien nachgewiesen, dass sie auf taktile Stimulation ähnlich reagieren. Fische besitzen vor allem entlang der Seitenlinie und an den Flossen, aber auch sonst über den Körper verteilt Zellen, die auf mechanischen Druck reagieren. Putzerlippfische (Labroides dimidiatus) beispielsweise setzen Massagen ein, um andere Fische zu besänftigen. Zudem wirkt diese Dienstleistung beim Empfänger stressmildernd (Bshary 2001, Soares 2011).

Der Putzerlippfisch (Labroides dimidiatus) entfernt anderen Meeresbewohnern Parasiten von der Haut. Zuweilen beisst er dabei einem Kunden ein Stück Hautschleim weg, worauf dieser verärgert reagiert. Um ihn wieder zu beruhigen, streicht er mit seinen Flossen über dessen Rücken. Sie setzen dieses besänftigende Verhalten bei Raubfischen sogar vorsorglich ein und bei neuen Kunden, um eine Kundenbindung aufzubauen (Bshary 2001).

Ein Kunde des Putzerlippfisches ist der Gestreifte Borstenzahn-Doktorfische (Ctenochaetus striatus). Im Experiment bewirkte bei ihm die Massage mit einer mechanischen Bürste, die das Verhalten des Putzerlippfischs imitierte, einen tieferen Cortisolspiegel. Ein rein physischer Kontakt kann also stressmildernd und somit gesundheitsfördernd wirken (Soares 2011).

 

Enge Verhältnisse in der Aquakultur

Der territoriale Nilbuntbarsch (Oreochromis niloticus) wird er häufig als Studiensubjekt in experimentellen Studien eingesetzt, in denen Fragen zu Verhalten oder Physiologie nachgegangen wird. Noch bedeutender ist er für die Aquakultur. Er ist eine der Arten, die weltweit am häufigsten zu Speisezwecken gezüchtet werden (FAO 2019).

In den Aquakulturen sind die Verhältnisse üblicherweise sehr eng. Daher zeigen Nilbuntbarsche mitunter übermässig aggressives Verhalten untereinander. Dies erzeugt chronischen Stress, wodurch sowohl das Wohlbefinden reduziert als auch das Wachstum und die Futteraufnahme beeinträchtigt werden.

Besänftigende Borsten

Daher haben die Autorinnen dieser Studie untersucht, ob ein Einsatz von Borsten einen stressmindernden Effekt auf männliche Nilbuntbarsche haben und das aggressive Verhalten reduzieren können. Dazu setzten sie in der Mitte der Testaquarien einen Rahmen ein, in den Plastikstäbe eingesetzt waren. Diese Stäbe hatten sie für die Testsituation mit weichen Silikonborsten versehen, welche die die Buntbarsche streiften, wenn sie durch diese Stäbe hindurch schwammen (Abbildung der Borsten). Bei der Kontrollgruppe fehlten den Stäben diese Borsten.

In einer vorangehenden Studie (Dos Santos Gauy 2021) hatten die Autorinnen untersucht, ob die Nilbuntbarsche die taktile Stimulation mit weichen Borsten als positvies oder negatives Enrichment wahrnehmen. Dazu installierten sie im Testaquarium ein Gitter mit Silikonborsten und führten Wahl- und Motiviationsversuche durch.

Zwar schwammen die Barsche im Wahlversuch eher durch die Stellen ohne Borsten. Allerdings mieden sie die Borsten auch nicht. Sie suchten sie auch auf, als für den Motivationtest der Weg dahin durch einen negativen Reiz (helles Licht) hindurchschwimmen mussten. Sozial gestresste Fische zeigten dieselben Muster.

Die Autorinnen schlossen aus den Resultaten, dass Nilbuntbarsche weiche Borsten nicht als negativ empfinden und diese als Enrichment für weitere Untersuchungen eingesetzt werden können.

 

Während des 21 Tage dauernden Experiments schwammen die Buntbarsche zwar häufiger durch den Rahmen mit den borstenlosen Stäben. Möglich ist, dass die Borsten ein gewisses Hindernis für die Fische darstellten. Doch mit Borsten zeigten die Fische langfristig weniger offen aggressives Verhalten, hingegen mehr ritualisiertes Drohverhalten. Dies deutet darauf hin, dass die taktile Stimulation durch die Borsten einen beruhigenden und gleichzeitig einen stabilisierenden Effekt auf das Sozialverhalten hatte.

Der Cortisolspiegel wurde durch die Borstenmassgage nicht gesenkt. Die Autorinnen fügen an, dass andere physiologische Parameter möglicherweise bessere Aussagen über den Stresszustand liefern. Zudem verweisen sie darauf, dass mit den Borsten das soziale Gefüge schnell stabilisiert wurde, was zu geringerem sozialem Stress führt.

Zudem wuchsen durch die Borsten massierten Fische besser und verwerteten das Futter effizienter. Kämpfe sind energiezehrend. Sinken die aggressiven Auseinandersetzungen können die Fische die Energie ins Wachstum stecken.

Positive Emotionen fördern

Wie bei anderen Tieren scheinen also auch bei Nilbuntbarschen ein Borsten-Enrichment beruhigend und gesundheitsfördernd zu wirken. Warum also den Nilbarschen nicht wie auch den Kühen Massagemöglichkeiten anbieten.

Wohlbefinden bei Tieren ist mehr als die Abwesenheit von Stress, Schmerzen und Angst. Wohlbefinden heisst auch, dass die Tiere zufrieden sind und sich wohl fühlen, sie also in einem positiven Gemütszustand sind.

Nilbuntbarsch

Der Nilbuntbarsch kommt urpsprünglich auf der nördlichen Hälfte Afrikas bis nach Israel vor. Die Art wird sehr häufig in Aquakulturen gezüchtet. Mittlerweile kommt sie daher weltweit in verschiedenen Ländern vor, wo sich zahlreiche Unterarten entwickelt haben (fishbase.org). Nilbuntbarsche gehören zu den maulbrütenden Buntbarschen.

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Literatur

Gauy, A. C. D. S., Bolognesi, M. C., & Goncalves-de-Freitas, E. (2022). Long-term body tactile stimulation reduces aggression and improves productive performance in Nile tilapia groups. Sci Rep, 12, 20239. (abstract)
(2021). FAO Yearbook. Fishery and Aquaculture Statistics 2019. (abstract)
Gauy, A., Bolognesi, M. C., Martins, G. D., & Goncalves-de-Freitas, E. (2021). Preference and Motivation Tests for Body Tactile Stimulation in Fish. Animals (Basel), 11. (abstract)
Soares, M. C., Oliveira, R. F., Ros, A. F. H., Grutter, A. S., & Bshary, R. (2011). Tactile stimulation lowers stress in fish. Nature Communications, 2, 5. (abstract)
Bshary, R., & Wurth, M. (2001). Cleaner fish Labroides dimidiatus manipulate client reef fish by providing tactile stimulation. Proceedings Of The Royal Society B-Biological Sciences, 268, 1495-1501.