Aquarium - Unterwasserwelt

Die Fischerei auf den Meeren erfolgt weitgehend im Verborgenen

Eine flächendeckende Erfassung der industriellen Tätigkeiten auf den Ozeanen fehlt, obwohl diese Industrien immense Umweltprobleme und enormes Fischleid mit sich bringen. Die Kombination von Satellitendaten und künstlicher Intelligenz erlaubt es nun, diese Aktivitäten besser sichtbar zu machen, insbesondere diejenigen der Fischerei, die ihr Tun oftmals verschleiert (Paolo 2024).

Die Zahlen, die Fernando S. Paolo und seine Kolleg:innen zusammengetragen haben, sind eindrücklich: Über eine Milliarde Menschen nutzen die Meere und ihre Organismen als Nahrungsquelle, 260 Millionen Menschen arbeiten in der weltweiten Fischindustrie, 80 Prozent der gehandelten Güter werden auf den Meeren transportiert und fast 30 Prozent des Erdöls wird offshore gefördert. Diese «Blaue Ökonomie» generiert 1.5 bis 2.5 Trillionen Dollar und wächst schneller als andere Wirtschaftsbereiche, wobei sich auch neuere Industrien wie Anlagen für erneuerbare Energien, Aquakulturen und der Tiefseebergbau ausbreiten. 

Problematische industrielle Nutzung der Meere 

Diese Industrien verursachen jedoch immense Umweltschäden und enormes Fischleid. Ein Drittel der Fischbestände sind überfischt und 30 bis 50 Prozent der wertvollen und wichtigen Meereshabitate wie Flussmündungen oder Seegraswiesen sind zerstört.

Doch welches Ausmass genau diese Aktivitäten angenommen haben, ist bisher kaum bekannt. Denn die Aktivitäten auf den Meeren werden nur ungenau erfasst. Oftmals liefern Schiffe keine Standortangaben und offshore Industrien halten ihre Daten unter Verschluss. Dies im Gegensatz zu den Aktivitäten an Land wie der Strassen- und Siedlungsbau, die Land- und Forstwirtschaft oder der Bergbau, wo genaue Karten zur Verfügung stehen. 

Die industrielle Fischerei wird mit dem vorhandenen Instrument des Automatischen Identifikationssystems  (AIS)1 offenbar nur unzulänglich erfasst. Zum einen, gibt es länderspezifische und sehr unterschiedliche Vorschriften und zum anderen, werden die Geräte, die diese Daten aufzeichnen, immer wieder abgeschaltet und so die Aktivitäten verschleiert. Schiffe, die für die Öffentlichkeit nicht sichtbar sind, werden auch «schwarze Schiffe» (dark vessels) genannt. 

Mit Satellitenbildern und KI Schiffe aufspüren

Abhilfe schaffen könnten hier Satellitenbilder und das maschinelle Verarbeiten der Bilder mithilfe künstlicher Intelligenz (deep learning). Für ihre Studie analysierten die Autor:innen 2 Terabyte solcher Satellitenbilder, die die Jahre 2017 bis 2021 umfassten. Damit deckten sie 15 Prozent der Ozeanfläche ab, auf der mehr als 75 Prozent der industriellen Aktivitäten erfolgen. Für die Analyse der Bilder entwickelten und trainierten sie drei komplexe neuronale Netzwerke (Convolutional Neural Networks), sodass diese die Objekte mit einer 97-prozentigen Genauigkeit erkennen und deren Länge schätzen konnten. Zudem analysierten sie 53 Milliarden GPS-Positionen der Schiffe, die das AIS lieferte. 

Anhand der so erhaltenen Daten konnten sie schliesslich Karten erstellen, die erstmals sowohl die Fischereiaktivitäten als auch die offshore Infrastrukturen für die Energiegewinnung detailliert aufzeigten.

75 % der Fischtrawler senden keine Daten 

Durchschnittlich 63'000 Schiffe wurden erfasst werden, wovon fast 50 Prozent Fischtrawler waren. 86 % der Aktivitäten im Zusammenhang mit der Fischerei und 75 % der anderen Aktivitäten konzentrierten sich auf Gewässer mit einer Tiefe von weniger als 200 Metern. Die meiste Aktivität verzeichnete Asien (67%), gefolgt von Europa (12%) und den USA sowie Afrika (je 7%). 

Der Vergleich der AIS-Daten und den Satelliten-Daten zeigte, dass 75 Prozent der industriellen Fischereischiffe "unter dem Radar" fischen, ihre Positionen also verheimlichen, insbesondere in Asien und Afrika. Einige davon wurden zudem in Meeresschutzgebieten wie dem Great Barriere Reef oder dem Galapagos Meeresschutzgebiet entdeckt. Im Vergleich dazu fehlten die öffentlichen Trackingdaten bei 21 bis 30 Prozent der Transportschiffe und Öltanker.

Abbildung: Etwa 75 % der weltweiten industriellen Fischerei und 25 % der sonstigen Schiffstätigkeit werden nicht öffentlich erfasst.

Etwa 75 % der weltweiten industriellen Fischerei und 25 % der sonstigen Aktivitäten auf den Meeren erfolgen unbeobachtet. Auf der Karte abgebildet ist die durchschnittliche Anzahl von (a) Fischereischiffen und (b) Schiffen, Tankern, Passagier- und Hilfsschiffen pro Quadratkilometer aus den Satelliten-SAR-Aufnahmen über 5 Jahre (2017-2021). Die Farbe stellt den Prozentsatz der entdeckten Schiffe dar: BLAU sind die Schiffe, deren Positionen aus dem AIS öffentlich erkennbar waren, und ROT, diejenigen, die keine Trackingdaten aus dem AIS übermittelten. (c) Anteile pro Kontinent (aus Paolo et al. 2024). 

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Die Industrialisierung der Ozeane schreitet voran

Die Satellitendaten sowie der Datensatz aus der Studie sind der Öffentlichkeit frei zugänglich. Damit können nun die weltweiten Aktivitäten auf den Meeren besser überwacht und illegale Praktiken eher aufgedeckt werden.

Nachdem die Fischerei ab den 1950er Jahren stark angewachsen war, hat sie in den letzten Jahren stagniert, da die Meere massiv überfischt sind. Hingegen nehmen die Tätigkeiten anderer Industrien wie Transport von Waren, Ölförderung, offshore Windenergieanlagen und Tierseebergbau weiter zu und damit die verheerende Industrialisierung der Ozeane.

 

1 Automatisches Identifikationssystem (AIS) der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO), erhebt Schiffskoordinaten, um Schiffsbewegungen zu verfolgen und die Sicherheit im Seeverkehr zu gewährleisten.

 

 

Mehr Informationen: Global Fishing Watch

Literatur

Paolo, F. S., Kroodsma, D., Raynor, J., Hochberg, T., Davis, P., Cleary, J., et al. (2024). Satellite mapping reveals extensive industrial activity at sea. Nature, 625, 85-91. (abstract)