Enorme Bandbreite
Die Lebenserwartung unterscheidet sich bei den verschiedenen Fischarten enorm. Sie reicht von wenigen Wochen bis zu mehreren Hundert Jahren. Wie lange Fische leben, wird vermutlich von verschiedenen Faktoren wie Körpergrösse, Geschlecht, Temperatur, Nahrung, Alter der Geschlechtsreife, Fortpflanzung sowie die Genetik beeinflusst.
Auch bei den Aquarienfischarten ist die Lebenserwartung sehr unterschiedlich. Bei den häufig gehaltenen Arten variiert sie zwischen 2 und 30 Jahren auf. Zebrabärblinge beispielsweise erreichen ein Alter von ca. 5 Jahren, die beliebten Panzerwelse werden durchschnittlich 12 Jahre alt und Goldfische können durchaus 40 Jahre alt werden.
Natürlich gibt es auch bei den Fischen die Extreme.
Ein Leben im Schnelldurchlauf
Eviota sigillata, ein Meeresfisch aus der Familie der Grundeln, hat die kürzeste bisher bekannte Lebenserwartung unter den Wirbeltieren. Die Zwerggrundel misst nur 11 bis 20 mm. Die ersten drei Lebenswochen lebt sie als Larve im offenen Ozean. Danach kehrt sie ins Riff zurück, wo sie sich innerhalb von vier Tagen zum geschlechtsreifen erwachsenen Fisch entwickelt. Nun hat sie knapp 30 Tage Zeit sich fortzupflanzen, bevor sie stirbt. Das Leben der Grundel dauert insgesamt nur 59 Tage, also knapp zwei Monate. Trotz dieser kurzen Lebenszeit sind Zwerggrundeln eine sehr erfolgreiche Gruppe, die ca. 70 Arten umfasst und eine Verbreitung über den pazifischen und indischen Ozean hat.
Ein Leben in Zeitlupe
Das Gegenstück zur kleinen Grundel ist der Grönlandhai (Somniosus microcephalus): Diese imposante Haiart wird mindestens 270 und vermutlich über 500 Jahre alt und ist damit das Wirbeltier mit der längsten Lebensdauer. Sein Lebensraum ist der Nordatlantik, wo er mit rund 1 km/h sehr gemütlich unterwegs ist (Watanabe 2012) und in eine Tiefe von bis zu 2'900 Meter vordringt (Nielsen 2025). Er erreicht eine beachtliche Grösse von vier bis fünf Meter, wobei die Weibchen grösser werden als die Männchen. Pro Jahr wächst er nur einen Zentimeter und die Fortpflanzungsfähigkeit soll er mit 150 Jahren erreichen (Nielsen 2016, fishbase.org). Seine spezielle Biologie und langsame Entwicklung macht ihn sehr verletzlich und sein Status auf der Roten Liste der IUCN wird als «zunehmend gefährdet» eingestuft.
Dieses Video zeigt spannende Aufnahmen vom Grönlandhai und gibt weitere Informationen (in Englisch).
Die Fang-Wiederfangmethode
Bei dieser Methode fängt man Fische ein, markiert sie, lässt sie frei und fängt sie nach einer gewissen Zeit wieder ein. Aufgrund der Wiederfangraten können Überlebensraten errechnet und davon ausgehend auch die Lebenserwartung grob abgeschätzt werden. Diese Methode ist jedoch nur beschränkt nutzbar, und bei sehr langsam wachsenden Fischen wie Knorpelfischen oder bei sehr mobilen Arten ist sie ungeeignet.
Analyse der harten Strukturen bzw. Zählen der Wachstumsbänder
In der Wissenschaft wird das Alter von Fischen häufig mit Hilfe von Schuppen, Otolithen (kalkige Gehörsteine im Schädel), Kiemendeckel, Wirbel oder Flossenstachel bestimmt. Bei diesen Strukturen entstehen Wachstumsringe, deren Ausprägung durch den Wechsel der Jahreszeiten und die unterschiedlichen Umweltbedingungen beeinflusst werden. Ähnlich wie man bei Bäumen die Wachstumsringe zählt, kann man auf diese Weise auch bei Fischen das Alter ablesen.
Diese Methode eignet sich für Knochenfische, nicht aber für Knorpelfische wie Haie oder Rochen. Da diese Arten keine kalkigen Strukturen wie Otolithen besitzen, muss man ihr Alter anhand der Wachstumsbänder in den Wirbeln schätzen. Die Anzahl dieser Bänder steigt mit dem Alter der Fische an.
Altersbestimmung mit der Radiokarbonmethode
Die Altersbestimmung mit der Radiokarbonmethode basiert auf dem radioaktiven C14-Kohlenstoffisotop (eine Variante des Kohlenstoffatoms). Dieses Isotop ist in der Atmosphäre enthalten. Es reagiert mit Sauerstoff zu CO2 und gelangt so in den Kohlenstoffkreislauf. Von den Pflanzen wird es zur Photosynthese genutzt, während Tiere es mit der Nahrung aufnehmen und in ihr Körpergewebe einbauen. Stirbt das Tier, kann es kein C-14 mehr aufnehmen und die Anzahl der C-14-Isotope sinkt kontinuierlich, da es mit einer Halbwertszeit von 5'730 Jahren zerfällt. Anhand der Konzentration in den konservierten Organismen oder in Knochen kann man berechnen, wann das Isotop eingelagert wurde bzw. der Stoffwechsel aussetzte.
Ironischerweise macht sich die Forschung die oberirdischen Atombombentests in den 1950er und 1960er Jahren zunutze, denn durch diese Tests stieg der Anteil des radioaktiven Kohlenstoff-Isotops C-14 in der Atmosphäre an. Weil man weiss, wann die Atombombentests durchgeführt wurden, kann man sie als Zeitgeber nutzen und so auf das Alter des Tiers rückschliessen.
Die Radiokarbonmethode lässt sich auch zur Validierung der anderen Methoden nutzen. So hat man damit anhand der Wirbel zweier konservierter Walhaie (Rhincodon typus) bestätigen können, dass die Wachstumsbänder bei dieser Art tatsächlich jährlich angelegt werden, genauso wie die Baumringe und somit zur genaue Schätzung des Alters bei grossen, langlebigen Arten genutzt werden kann. Das eine Tier, ein 10 Meter langes Weibchen, erreichte demzufolge ein Alter von 50 Jahren, das gleich grosse Männchen ein Alter von 35 Jahren (Ong 2020).
Bei der Altersbestimmung der oben erwähnten Grönlandhaie (Somniosus microcephalus) hat man mit der Radiokarbonmethode die Augenlinsenkerne analysiert.
Einige Beispiele von häufig gehaltenen Aquarienfischen
- Der Türkise Prachtgrundkärpflinge (Nothobranchius furzeri) ist ein Zahnkärpfling, der nur 3 Monate alt wird; unter optimalen Bedingungen kann er 5 bis 6 Monate alt werden. Er lebt in der Ostafrikanischen Savanne in kleinen Tümpeln, die nur während der Regenzeit mit Wasser gefüllt sind. Das erfordert eine sehr schnelle Entwicklung. Schon 3 Wochen, nachdem die Kärpflinge aus den Eiern geschlüpft sind, sind sie fortpflanzungsreif. Die trockenresistenten Eier überdauern die Zeit nach dem Austrocknen der Tümpel im Boden. Diese Art wird seit längerem in der Altersforschung eingesetzt.
- Der Zebrafisch (Danio rerio) ist sowohl ein beliebter Aquarienfisch (siehe Artenportrait) als auch diejenige Fischart, die am meisten in der Tierversuchsforschung (siehe Laborhaltung) eingesetzt wird. Er kann bis zu 5 Jahre alt werden, wobei die für die Tierversuche gezüchteten Linien weniger lang leben (Gerhard 2002).
- Der Skalar (Pterophyllum scalare) (siehe Artenportrait) ist als charismatischer Fisch einer der beliebtesten Aquarienfische. Er kann gut und gerne 10 Jahre alt werden.
- Die Prachtschmerle (Chromobotia macracanthus) (siehe Artenportrait) wird gross und kann 15+ Jahre alt werden. Die meisten Inviduen stammen wohl leider aus Wildfang. Ihre Anschaffung will also sehr gut überlegt sein.
- Der Echte Anemonenfisch (Amphiprion percula) ist ein Riffbewohner und kann 30 Jahre alt werden (Buston 2007). Das ist ein stolzes Alter für einen Fisch, der mit einer Körperlänge von 6 bis 11 cm eher in der Fischwelt zu den kleineren Arten gehört. Diese Art ist eine der wenigen Meeresfischarten, die für die Aquarienhaltung gezüchtet werden können.
- Kois, die domestizierte Form des Karpfens (Cyprinus carpio), sind beliebte Teichfische. Sie sollen durchschnittlich 15 bis 25 Jahre alt werden, können aber bis zu 50 Jahre alt und vielleicht sogar noch älter werden.
Einige Beispiele aus der freien Wildbahn
- Aale (Anguillidae) werden je nach Art zwischen 8 bis 88 Jahre alt. Eine Studie (Andrews 2025), in der die Radiokarbonmethode eingesetzt wurde, schätzt die Lebenserwartung des Europäischen Aals (Anguilla anguilla) auf 100 Jahre.
- Auch der Quastenflosser, die lebenden Fossilien, gehören zu den am längsten lebenden Fischarten, sie werden vermutlich bis zu 100 Jahre alt (Mahe 2021).
- Der Großmäulige Büffelfisch (Ictiobus cyprinellus) lebt in nordamerikanischen Gewässern. Altersbestimmungen gemäss kann er mindestens 112 Jahre alt werden. Er ist somit der langlebigste Süsswasserfisch, den man bisher kennt. Besonders interessant ist, dass er mit zunehmendem Alter keinerlei Alterserscheinungen zeigt, im Gegenteil, er scheint immer robuster zu werden (Sauer 2021).
- Der Walhai (Rhyncodon typus) ist mit 14 Metern Länge der grösste Fisch der Welt. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode (siehe Methoden zur Altersbestimmung) haben Forscher 2 konservierte Exemplare, ein Weibchen und ein Männchen, untersucht. Beide Tiere waren 10 Meter lang, für das Weibchen ergaben die Untersuchungen jedoch ein Alter von 50 Jahren, für das Männchen 35 Jahre. Allerdings vermuten die Forscher, dass Walhaie bis zu 100 Jahre alt werden können (Ong 2020).
- Die Gattung der Felsenbarsche (Sebastes sp.) umfasst über 120 Arten. Diese Arten haben sehr unterschiedliche Lebenserwartungen. Während die Art Sebastes minor 11 Jahre alt wird, erreicht Sebastes aleutinaus ein Alter von mehr als 200 Jahre und gehört damit zu den langlebigsten heutigen Wirbeltieren (Kolora 2021).